Die Personalnot in der Pflege bleibt

von Nils Sandrisser

Nils Sandrisser

Gesundheitsminister Jens Spahn will den Pflegenotstand beenden. 13000 neue Stellen für Pflegeheime sollen entstehen. In Kliniken sollen die Krankenversicherungen die Tarifsteigerungen übernehmen. Das müssen sie bislang nicht. Pflegekräfte sollen eigenverantwortlicher arbeiten können. Und neue Kollegen aus dem Ausland sollen sie entlasten. Das Geld soll aus der Erhöhung der Beiträge um einen halben Prozentpunkt kommen.

So viel sei anerkannt: Was Spahn vorhat, ist mehr, als sich seine Vorgänger getraut haben. Natürlich gibt es auch berechtigte Kritik. Wieso zum Beispiel 13000 neue Stellen schaffen, wenn selbst die Bundesregierung, der Spahn angehört, einräumt, dass derzeit 36000 Stellen unbesetzt sind? Der Sozialverband VdK rechnet vor, dass für eine gute Betreuung wenigstens 60000 Fachkräfte fehlen. Es geht also darum, mehr Menschen für die Pflege zu begeistern. Gelingen kann das nur, wenn eine Reform alle Probleme berücksichtigt und nicht an einigen vorbeigeht. Aber Spahns Vorschläge tun leider genau das.

Denn das Problem im Pflegesystem ist nicht nur zu viel Arbeit für zu wenig Geld. Es ist auch das Arbeitsumfeld. Medizinisches und pflegerisches Personal begegnet sich zudem nicht immer auf Augenhöhe. Obwohl Ärzte den Pflegekräften nicht vorgesetzt sind – das sind die Pflegedienstleitungen – führen sie sich oft so auf. Die Hierarchien sind traditionell steil, der Ton auf Station oft rau. Vor einigen Jahren gedachten viele Kliniken, den Pflegenotstand mit spanischen Fachkräften abzumildern. Spanien war damals von der weltweiten Finanzkrise gebeutelt, die Arbeitslosigkeit hoch. Aber in Spanien haben Pflegerinnen und Pfleger eine akademische Ausbildung. Und so haben die meisten der Angeworbenen hier schnell wieder das Weite gesucht. So viel Arbeit für so wenig Geld und sich auch noch von Ärzten gängeln lassen?

Wie man es nicht macht, könnte Spahn am Beispiel des Rettungsdienstes lernen. In diesem Sektor gibt es seit vier Jahren den Notfallsanitäter, der den Rettungsassistenten als höchste nicht ärztliche Qualifikation abgelöst hat. Wer Notfallsanitäter ist, darf mehr medizinische Maßnahmen ergreifen, die sonst nur Ärzten vorbehalten sind, als die Rettungsassistenten bislang durften. Allerdings legt für jeden Landkreis der jeweilige Ärztliche Leiter für den Rettungsdienst nach wie vor nach Gutdünken fest, ob und wann das Personal sie anwenden darf. Außer dass der Notfallsanitäter ein paar Euro mehr bekommt, hat sich also nicht viel verändert. Resultat: Die Personalnot im Rettungsdienst ist nicht kleiner geworden.

Die Gefahr ist, dass Spahns Vorschläge für die Pflege auf Ähnliches hinauslaufen. Ein bisschen mehr Geld hier, ein wenig mehr Personal da. Pflegekräfte sollen „eigenverantwortlicher arbeiten“, ist aus dem Gesundheitsministerium zu vernehmen, aber nicht, was das konkret bedeuten soll.

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare