Die Heuchelei geht einfach weiter

von Klaus Koch

Klaus Koch

Vor anderthalb Jahren schrieb der ­KIRCHENBOTE an dieser Stelle, die Be­troffenheit europäischer Politiker über die Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa sei pure Heuchelei. Damals sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso im Angesicht von weit über 300 Särgen, dass es die europäische Union nicht zulassen könne, dass Tausende an ihren Grenzen sterben. Nun waren es in dieser Woche wieder 800. Und die Krokodilstränen fließen erneut. Es ist einfach nur traurig.

Und wieder werden die altbekannten Lieder gesungen: Schlepperbanden müssen bekämpft, Herkunftsländer unterstützt werden. Seit Jahren ist das zu hören. Doch seit Jahren hat keiner der verantwortlichen Politiker auch nur einmal Bilanz gezogen: Wie und mit welchem Erfolg werden die Schlepper bekämpft? Wie und mit welchem Erfolg wird den Herkunftsländern geholfen? Fehlanzeige. Nach Lampedusa wurde mit Mare Nostrum wenigstens versucht, weit draußen auf dem Meer Menschen zu retten. Doch Italien war das zu teuer, die anderen Europäer wollten nichts beisteuern. Es ist einfach nur traurig.

Bei der Flüchtlingsfrage geht es nicht nur um die Menschen, die in höchster Not und traumatisiert aus zerfallenden Staaten kommen. Es geht auch um das, was Politiker vor Wahlen gerne europäische Werte oder die europäische Idee nennen. Werte und Ideen einer Gesellschaft sind nämlich am besten dort zu überprüfen, wo die Schwächsten ums Überleben kämpfen. Die überfüllten Seelenverkäufer auf dem Mittelmeer erzählen also auch etwas darüber, welches Menschenbild im zivilisierten Europa herrscht und wie Europa die Welt gerne hätte: Uns soll’s gutgehen – die anderen sind uns egal. Es ist einfach nur traurig.

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