Die Fifa und der Vatikan im Vergleich

von Martin Schuck

Martin Schuck

Viele Zeitgenossen, darunter Sozialwissenschaftler, Psychologen und Theologen, sagen, dass der Sport heute die gleiche Funktion erfüllt wie in früheren Jahrhunderten die Religion. Er schafft Gemeinschaft, bietet Identifikation mit Vorbildern, hat eigens zum Zweck der Ausübung des Sports errichtete Kultstätten, die oft größer sind als die größten Kathedralen und Moscheen. Außerdem verfolgt er, auch darin den Religionen ähnlich, eine die Welt und die Menschheit verbessernde Mission: ein gesunder Körper soll Grundlage für ein gutes und erfülltes Leben sein. Auch die Ausübung des Sports ist den Religionen nicht unähnlich. Manche Sportarten werden alleine oder in kleinen Gruppen ausgeübt, andere in Vereinen, manche regional begrenzt, andere weltweit.

Man braucht nicht viel Fantasie, um zu ­erkennen, dass der Fußball als weltumspannender, nahezu alle Völker begeisternder Sport eine gewisse Ähnlichkeit mit der römisch-katholischen Kirche hat, die sich ebenfalls als weltumspannende und alle Völker integrierende Gemeinschaft versteht. Aber Weltgemeinschaften brauchen starke Institutionen, und die Verkirchlichung des Fußballsports geschieht in der Fifa, die ihren Vatikanhügel nicht in Rom, sondern über dem Zürichsee in der Schweiz errichtet hat.

An dieser Stelle hören die Gemeinsamkeiten allerdings auf. Während sich die katholische Kirche reformwillig zeigt und ihre Kardinäle vor zwei Jahren den Mut aufbrachten, einem unkonventionellen Kandidaten, der Reformen durchführen will, die Leitung der Organisation zu übertragen, fehlt dieser Mut der Fifa. Nun müssen Staatsanwälte nach­holen, was die Funktionäre versäumt haben. Wie die Kirchen brauchen auch Sportorganisationen manchmal den Druck von außen.

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