Die EKD will jetzt selbst Kirche werden

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

Knapp zwei Jahre vor der 500-Jahr-Feier des Thesenanschlags Martin Luthers versucht die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), ihre theologischen Profile immer mehr einzuebnen und organisatorisch immer mehr der katholischen Kirche nachzueifern. Rund neun Jahre nachdem die EKD als „Gemeinschaft ihrer lutherischen, reformierten und unierten Gliedkirchen“ eben diesen attestierte, dass sie unterhalb einer Mitgliederzahl von einer Million nicht überlebenswert sind, hat die EKD-Synode nun in Bremen beschlossen, dass dieser vor 70 Jahren gegründete Dachverband selbstständiger Landeskirchen nun selbst Kirche ist – eine Kirche ohne Mitglieder und Bekenntnis.

Befürchtungen, dass es bei dieser „Kirchwerdung“ der EKD letztendlich doch nur um Macht und Geld und um das Abschleifen der Bekenntnisunterschiede geht, weisen die Befürworter als „Hermeneutik des Verdachts“ zurück. Diese Verdächtigungen sind allerdings gut zu verstehen, wenn man sich die Zentralisierungsversuche des in Hannover ansässigen Kirchenamts der EKD während der vergangenen zehn Jahre vor Augen führt.

Da gab es zunächst die Diskussion, ob künftig nicht alle Chefs der Landeskirchen Bischöfe heißen müssen, damit sie genauso wichtig werden wie ihre katholischen Amtsbrüder. Dann ging es darum, dass der deutsche Protestantismus mit einer Stimme sprechen müsse, die Chefs der Landeskirchen also erst einmal die inhaltlichen Vorgaben aus Hannover abwarten sollen, bevor sie sich zu Wort melden. Dann kam die Verlagerung theologischer, bildungspolitischer und publizistischer Aufgaben in sogenannte Kompetenzzentren der EKD – inklusive einer fürsorglichen finanziellen Ausstattung.

Kritiker befürchten nun eine weiter schrumpfende Zahl der noch 20 evangelischen Landeskirchen: Nach den vollzogenen Fusionen in Mittel- und in Norddeutschland werde die finanzielle Not weitere Landeskirchen zusammenführen. Unterschiedliche Bekenntnisse – gar lutherische und reformierte – sind dabei eher hinderlich. Für sich selbst hat die EKD bereits entschieden, dass sie kein Bekenntnis braucht, um als Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen Kirche zu sein.

Besonders betont wurde in der Synode der EKD, dass sie auch künftig „keine Union von Kirchen darstellt, nicht einmal die schwächste Form einer Union, nämlich die Verwaltungsunion“. Dieses Dementi lässt einiges befürchten. Denn bei all ihrem Einheitsstreben hat sich die EKD bisher immer auf die organisatorische Ebene konzentriert. Nachdem die EKD-Synode in Bremen die Änderung der Grundordnung im Sinne der „Kirchwerdung“ beschlossen hat, müssen die Synoden aller 20 Landeskirchen (die pfälzische im nächsten Mai) beraten und entscheiden. Widerspricht die kleinste dieser Landeskirchen, wird die EKD die Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen bleiben. Und das wäre gut so.

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