Die „All“-täglichen Aspekte der Raumfahrt

von Johann-Dietrich Wörner

Johann-Dietrich Wörner

Zur Mondfinsternis am 27. Juli taucht der Mond in den Erdschatten. Vor 50 Jahren umkreisten drei Astronauten als erste Menschen den Erdtrabanten. Ein Jahr später landete dort Apollo 11. Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst ist derzeit unser Stellvertreter im All. Warum es sich lohnt, die Erde einmal aus kosmischer Perspektive zu betrachten:

Seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts hat sich die Raumfahrt rasant entwickelt. Stand zunächst der Wettlauf im All mit der ersten Landung eines Menschen auf dem Mond im Vordergrund, hat sich die Raumfahrt heute zu einem selbstverständlichen Teil unserer Infrastruktur entwickelt: Wettervorhersage, Satellitennavigation und Telekommunikation sind aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken.

Etwas weniger bekannt, aber dennoch bedeutend, sind die Forschungen in der Raumfahrt. In der Schwerelosigkeit können biologische, medizinische und materialwissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden. Und die Raumfahrt liefert Fakten, wie zum Beispiel den Klimawandel, der zunächst auf der Venus beobachtet wurde, bevor wir ihn auch auf der Erde feststellen mussten. Natürlich gibt es auch die Entwicklungen, die aus der Raumfahrttechnik ins tägliche Leben gebracht wurden. Zwar ist das be­liebte Beispiel der Teflonpfanne „Fake News“, aber viele Produkte wie Rauchmelder, Akkubohrer und Solarzellen haben ihren Ursprung tatsächlich in der Raumfahrt. Neben diesen „All“-täglichen Aspekten der Raumfahrt gibt es aber auch weiterhin die Faszination und die Entwicklung von Bewusstsein, die durch die Raumfahrtaktivitäten befördert werden: Wenn Astronauten auf die Erde schauen und uns ihre Emotionen mitteilen, können wir teilhaben an diesem besonderen Blick. Als Frank Borman, William Anders und James Lovell Weihnachten 1968 als erste Menschen den Mond umkreisten und so den „Erdaufgang“ erlebten, waren sie tief beeindruckt von unserer Erde. Ähnlich beeindruckt berichten alle Ast­ro­nau­ten und Kosmonauten ihre Gefühle in der Raumstation ISS.

Die pure Beschreibung der Erdoberfläche ist beeindruckend und manchmal auch bedrückend, wenn zum Beispiel die Auswirkungen von Kriegen beschrieben werden. So kann in besonderem Maße auch die Verletzlichkeit unseres Planeten verstanden werden, wenn die Astronauten über die dünne Atmosphäre berichten, die unseren Heimatplaneten umgibt. Gerade die Astronauten sind es, die uns vor Augen halten, wie wunderbar unsere Erde ist. Und sie belegen Tag für Tag, dass es ein friedliches Zusammensein nicht nur geben kann, sondern gibt. Der in uns enthaltende Entdeckergeist wird uns sicherlich dazu bewegen, auch andere Planeten zu erkunden. Bisher gilt aber, um den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu zitieren: „There is no Planet B.“

Der Autor ist Chef der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Paris.

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare