Der Menschlichkeit ein Gesicht gegeben

von Klaus Koch

Klaus Koch

Italiens Innenminister Matteo Salvini gehört zu einer Sorte von Politikern, die immer mehr werden. Der Mann von der rechtsradikalen Lega ist vom gleichen Schlag wie der US-Amerikaner Trump, der Russe Putin, der Österreicher Strache, der Türke Erdogan, der Ungar Orban oder der Brasilianer Bolsonaro. Sie alle haben Wahlen gewonnen. Aber nicht, weil sie durch Klarheit, Integrität und Kompetenz das Vertrauen der Wähler gewonnen haben. Sie wollen keine Probleme lösen, sondern nehmen diffuse Stimmungen auf, verbiegen die Wahrheit oder lügen gleich ganz. So schüren sie vorhandene oder wecken unbegründete Ängste, um sich dann als strahlende Retter präsentieren zu können. Ihre Auftritte in den Medien sind unerträglich.

Doch nun hat Salvini, der sich gerne Capitano nennen lässt, in der deutschen Kapitänin Carola Rackete seine Meisterin gefunden. Sie hat ein Schiff mit psychisch und physisch äußerst gefährdeten Flüchtlingen gegen Salvinis Willen in einen italienischen Hafen gelenkt. Danach hat sie nicht gepöbelt und sich einer Heldentat gegen die regierenden Eliten gebrüstet, wie es besagte Politiker gewiss getan hätten. Nein, sie sagte lediglich, sie habe aus humanitären Gründen so handeln müssen und übernehme dafür die Verantwortung. Dann entschuldigte sie sich dafür, dass sie ein Polizeiboot gerammt hat, und ließ sich abführen.

Rackete wurde dadurch keine Heldin. Aber sie hat in einer von Hetze und Hass heimgesuchten Welt der Menschlichkeit ein Gesicht gegeben. Sie tat, was sie ihrem Gewissen schuldig war. Man kann das bewundern. ­Besser wäre jedoch, sie fände viele Nachahmerinnen und Nachahmer. Das ließe die alten weißen Männer an den Schalthebeln der Macht dann wirklich alt aussehen.

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare