Der ewige Putin und die Angst vorm Chaos

von Karsten Packeiser

Karsten Packeiser

Schon lange vor den Präsidentschaftswahlen im größten Land der Welt stand fest: Einen spannenden Wahlabend würde es nicht geben. Amtsinhaber Wladimir Putin führte in allen Umfragen haushoch. Dass es nach der Wahl an diesem Sonntag zu einer Stichwahl kommen könnte, galt als ausgeschlossen.

Dabei hatte die russische Wahlkommission im Gegensatz zu vergangenen Urnengängen mit Ausnahme des Anti-Korruptionsaktivisten Alexej Nawalny alle namhaften Kandidaten zugelassen. So schaffte es mit dem ergrauten Sozialliberalen Grigori Jawlinski auch ein Veteran der Opposition auf den Stimmzettel. Dass sogar das einstige Partygirl Xenia Sobtschak mit ihrer strikt gegen Putin gerichteten Kampagne antreten konnte, beruhte wohl auf dem Kalkül des Kremls, liberale Kritiker zu desavouieren.

Während sich die chancenlosen Oppositionskandidaten in den Talkshows anpöbelten, blieb der Amtsinhaber wieder allen Debatten fern und präsentierte sich als harter, aber gerechter Staatenlenker. Nun steuert er auf seine vierte Amtszeit zu. Dass die Mehrzahl der Russen dies nicht für die schlechteste Lösung hält, liegt keineswegs allein am staatlich gelenkten Fernsehen und den Repressalien gegen einen Teil der außerparlamentarischen Opposition, wie dies manche Kommentatoren gerne unterstellen. Als Gegenleistung für Stabilität und bescheidenen Wohlstand waren die meisten Russen lange bereit, auf politische Freiheiten zu verzichten. So tief saß das Trauma der Jelzin-Jahre.

Nach knapp zwei Jahrzehnten an der Macht kann sich Russlands starker Mann aber nicht mehr sicher sein, dass die Angst vor dem Chaos ewig Wirkung zeigt. Seit der Übernahme der Krim, dem Einbruch der Ölpreise und den westlichen Sanktionen geht es vielen Russen schlechter als zuvor. Auch Putin scheint zu ahnen, dass wachsende Armut und Vetternwirtschaft die Macht der Elite gefährden. Mit einigen Maßnahmen versuchte die Regierung zuletzt, dem entgegenzusteuern. So wurde der Mindestlohn erhöht. Und in der Kaukasus-Republik Dagestan, der korruptesten russischen Region, ließ Moskau den Großteil der politischen Führung verhaften.

Von der einflussreichen Russischen Orthodoxen Kirche drohen Putin und seiner Regierung allerdings keine Gefahren. Offene Unterstützung für eine weitere Amtszeit gab es zwar nicht, und Patriarch Kyrill stellte klar, dass in den Gemeinden Mitglieder unterschiedlicher politischer Meinungen ihren Platz hätten. Aber auch mit Kritik halten sich orthodoxe Würdenträger seit eh und je zurück. Im Gegenteil: Der Militäreinsatz in Syrien – eines von Putins riskantesten politischen Manövern – trifft auf uneingeschränkte Zustimmung der Kirchenhierarchie. Dort sieht man den Krieg als notwendiges Übel zur Rettung der bedrängten orientalischen Christen. Und Pazifismus stand in der Orthodoxie ohnehin noch nie hoch im Kurs.

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