Das Virus wird die Gier nicht besiegen

von Klaus Koch

Klaus Koch

Die Glaskugel hat Konjunktur. In der Krise sinnieren mehr oder weniger berufene Menschen darüber, wie die Welt nach Corona aussieht. Und die Szenarien sind oft erstaunlich positiv. Der Gemeinschaftssinn werde gestärkt, die Achtsamkeit gegenüber Natur und Mitmensch steigen, die Produktion lebenswichtiger Dinge nachhaltiger und das Gesundheitswesen von der Profitlogik entkoppelt. Dieser Optimismus erinnert ein wenig an die Zeit nach dem Ost-West-Konflikt, als die Visionen einer vom Krieg befreiten Welt ins Kraut schossen. 30 Jahre später ist davon nichts geblieben.

Das Virus hat eine weltweite Krise ausgelöst. Und eine Krise ist der altgriechischen Bedeutung des Worts gemäß eine Zeit der Entscheidung. Noch ist offen, ob es zum Guten oder zum Schlechten führt. Corona hat Schwächen aufgezeigt bei der Art des Wirtschaftens, bei der Sicherung von Lebensgrundlagen, bei der internationalen Zusammenarbeit und in vielen anderen Bereichen. Wenn jetzt die Vernunft siegen würde, könnten weltweit Missstände behoben werden.

Doch vor allem Christen wissen, dass sie in einer unerlösten Welt leben. Das Diesseits wird nicht zum Paradies; nicht nach dem Ende des Kalten Kriegs und auch nicht nach Corona. Das Virus wird die Gier nicht besiegen. Viele werden wieder den eigenen Vorteil mehr suchen als den der Gemeinschaft. Aber vielleicht werden es nach der Krise mehr Menschen sein, die das nicht als unausweichlich hinnehmen. Der Stillstand des gesellschaftlichen Lebens zeigt, dass nicht Profit oder Selbstinszenierung die wichtigen Dinge sind. Daher bleibt die leise Hoffnung, dass am Ende der Krise Respekt und Anstand gegenüber den Mitmenschen und der Umwelt an kollektiver Bedeutung gewinnen.

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