Bluttest kann Rechte Behinderter gefährden

von Renate Haller

Renate Haller

Schwangere unterziehen sich heute vielen Tests. Ärzte vermessen die Ungeborenen, schallen sie, schauen nach Schwangerschaftsdiabetes und anderem mehr. Einige der Tests sind Kassenleistungen, andere bezahlen die Frauen selbst. Seit 2012 gibt es einen Bluttest, der relativ sicher und gefahrlos Auskunft darüber geben kann, ob das Kind im Mutterleib eine Trisomie 21 hat, ein Downsyndrom. Derzeit wird geprüft, ob dieser Test zur Kassenleistung werden soll.

Der sogenannte Praena-Test sei dazu da, behindertes Leben zu selektieren, warnen die Gegner einer möglichen Reihenuntersuchung. Befürworter argumentieren zum einen mit dem Recht auf Selbstbestimmung der Frauen. Zum anderen könnten sich betroffene Eltern bei frühzeitigem Wissen über einen Gendefekt früh über medizinische Hilfe bei Schwangerschaft und Geburt informieren.

Beide Seiten haben recht. Es wird in Deutschland nicht gezählt, wie viele Kinder mit Downsyndrom zur Welt kommen und wie viele Schwangerschaften nach entsprechender Diagnose abgebrochen werden. Allgemein verbreitet ist die Zahl von neun Abbrüchen bei zehn Diagnosen. Aber das ist eine Schätzung. Es ist zu befürchten, dass diese Zahl bei einer Reihenuntersuchung weiter steigen wird und auch, dass der Druck auf Eltern wächst, sich gegen ein behindertes Kind zu entscheiden. Damit steht der Test im ­Widerspruch zur Verpflichtung, die Rechte von Menschen mit Behinderung zu schützen, kritisiert der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff.

Der Test ist einfacher und risikoärmer als die praktizierte Fruchtwasseruntersuchung. Viele Frauen entscheiden sich schon heute dafür. Daran wird sich nichts ändern, egal, ob sie den Test auch künftig selbst bezahlen müssen oder nicht. Problematisch ist, dass sich Frauen mit mehr Geld viel leichter für diese Untersuchung entscheiden können als Frauen mit wenig Geld. Das spricht dafür, den Test als Kassenleistung anzubieten. Neben dem Recht auf Wissen gibt es aber auch ein Recht auf Nichtwissen. Wird der Test prophylaktisch bei jeder Schwangeren quasi nebenbei gemacht, kann die notwendige Aufmerksamkeit für die hinter ihm stehende ethische Frage aus dem Blick geraten.

Es ist verständlich, dass Eltern eine große Sehnsucht nach Sicherheit haben und sich ein gesundes Kind wünschen. Aber es gibt eine große Vielfalt von Leben. Wer die Akzeptanz dafür stärken möchte, muss werdenden Eltern das Gefühl geben, im Falle einer Gendefektdiagnose nicht allein zu sein. Sie brauchen nicht nur medizinische, sondern auch psychosoziale Betreuung. Der Test an sich ist also nicht das eigentliche Problem, sondern der Gedanke, dass behindertes Leben nicht lebenswert ist. Dabei sollte den Menschen klar sein, dass die meisten Behinderungen erst durch Unfall oder Krankheit nach der Geburt entstehen. Niemand hat eine ­Garantie, gesund alt zu werden.

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