Auch Sport ist Teil der Ellenbogengesellschaft

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Eigentlich sind alle gegen Doping. Auch Sporttreibende, die dopen. Der Wettbewerbsdruck, die Konkurrenz, der Zwang zum Erfolg – so klingen die Ausflüchte, wenn einer erwischt wird. Dabei ist die Einnahme leistungssteigernder Substanzen einfach nur Betrug. Es ist unfair. Doping steht im krassen Gegensatz zu den ach so hehren Zielen des edlen Sports und seiner angeblich völkerverbindenden Kraft.

Sportfunktionäre postulieren diese Ziele zwar vollmundig, verraten sie jedoch im Kampf um Medaillen und Rekorde. Doch auch die Sportler selbst lassen für den Sieg gelegentlich allen Anstand und jegliche Moral fallen. Das krasseste Beispiel dafür lieferte gerade erst der italienische Motorradrennfahrer Romano Fenati. Jenseits von Tempo 200 griff er einem Konkurrenten an den Lenker und zog den Bremshebel. Wie durch ein Wunder kam es nicht zum Sturz. Die Empörung darüber ist groß, doch im Grunde kann derlei nicht verwundern. Warum sollte die Ellenbogengesellschaft, die begünstigt, wer sich – mit welchen Mitteln auch immer – am besten durchsetzen kann, ausgerechnet vor dem Sport haltmachen?

Doping ist dabei noch eine eher milde Form der Vorteilserschleichung, denn sie betrügt zwar andere, zieht aber nur den eigenen Körper in Mitleidenschaft. Im Fußball und den vielen anderen Mannschaftssportarten gehört es dazu, Gegner mutwillig zu verletzen. Immerhin gilt das als Regelverstoß. Beim Boxen gewinnt sogar regelkonform, wer dem anderen am besten die Fresse poliert.

Brutalität, Betrug und Verrat gehören zum Menschsein wohl dazu. Die Bibel ist voll von solchen Geschichten. Wir alle kennen das Gleichnis von Jakob, der seinem Bruder Esau das Erstgeburtsrecht abschwätzt, als dieser erschöpft und hungrig von der Jagd heimkehrt. Und am Sterbebett ihres Vaters Isaak leimt er den Bruder noch ein zweites Mal, indem er sich als dieser ausgibt. Delila lässt sich bestechen und verrät dem Feind das Geheimnis der Stärke ihres Geliebten Samson. Judas verrät Jesus, ebenfalls für Geld. König David schickt seinen Feldherrn an die Front, um dessen Frau Batseba zu verführen. Die Bibel lässt keinen Zweifel daran, dass sich derlei nicht gehört. Das macht Kirche zur Instanz für Ethik und Moral. Frei von eigenen Verfehlungen war sie in den vergangenen 2000 Jahren zwar nicht, auch hat das Interesse an ihrer Expertise zuletzt ein wenig nachgelassen.

Die Sportorganisationen allerdings nehmen neuerdings die Kirche als Partner wahr, der ihnen helfen soll, auf dem Pfad der Tugend zu wandeln. Den Deutschen Fußball-Bund etwa hat die eigene Ignoranz mit den Bestechungsvorwürfen um die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 eingeholt. Nun wacht auch im deutschen Fußball eine Ethikkommission über ­Anstand und Transparenz. Ob ihre Funktion über die eines Feigenblatts ­hinausgeht, muss die Zukunft aber noch zeigen.

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