Alles beim Alten in Syrien und Umgebung

von Martin Schuck

Martin Schuck

Kleinere Völker hatten es im Nahen Osten noch nie leicht, denn sie gerieten häufig zwischen die Fronten der dort immer schon existierenden Großmächte und ihrer mal launischen, mal größenwahnsinnigen Herrscher. In alttestamentlichen Zeiten konnten die Israeliten ein Lied davon singen, aktuell sind es die Kurden. Und genau wie die Kurden, hatten es damals auch die Israeliten mit der Unberechenbarkeit von Bündnispartnern zu tun.

In der Mitte des 9. Jahrhunderts vor Christus war es dem Nordreich Israel gelungen, durch einen militärischen Sieg über Aram, das heutige Syrien mit damals schon Damaskus als Hauptstadt, ein Bündnis einzugehen. Dieses hielt aber nur ein gutes Jahrzehnt, bis ein Usurpator namens Hasael dem syrischen König die Herrschaft entriss. Dessen Nachfolger, der auch nicht ganz legal an die Macht gekommen war, besiegte dann den israelitischen König Joram, und die alte Abhängigkeit Israels von Syrien war wieder hergestellt – nur dass Syrien jetzt selbst Tribut an die neue Großmacht Assyrien zahlen musste. Ein komplexes Abhängigkeitssystem, das ein Jahrhundert später mit der Zerstörung Israels endete. Dem vorausgegangen war der Versuch, durch ein Bündnis mit Ägypten, der anderen Großmacht, aus der Abhängigkeit von Assyrien auszubrechen. Ähnlich passierte es gut 130 Jahre später dem Südreich Juda, das von den Babyloniern zerstört und in die Gefangenschaft geführt wurde.

Hinter all diesen Tragödien kleinerer Mächte standen Herrscher großer Machtzentren, und selbst Israel hatte einmal Herrscher, die eine ähnliche Rolle spielten und die kleineren Nachbarvölker drangsalierten. Wie war das mit Saul, der „schwermütig“ war und deshalb unberechenbar wurde? Oder mit David, der zumindest in seiner Anfangszeit eher einem Bandenchef als einem zukünftigen König glich und zu diesem erst wurde, als er Saul, mit dessen Sohn er eng befreundet war, weggeputscht hatte? Und war da nicht auch Salomon, der wohl erst von nachfolgenden Generationen für seine Weisheit gerühmt, von seinen Zeitgenossen aber eher als selbstverliebter Potentat wahrgenommen wurde?

In den gegenwärtigen Wirren um Syrien sind die Großmächte Vereinigte Staaten und Russland zwar weiter weg als damals Babylonien und Ägypten, aber dafür nicht weniger präsent. Und Trump und Putin können, was ihre Unberechenbarkeit gegenüber Bündnispartnern angeht, es durchaus mit den Pharaonen und Großkönigen von damals aufnehmen. Bleiben noch die Präsidenten der Türkei und Syriens, Erdogan und Al-Assad: Sie dürfen, wie damals die Könige kleinerer Vasallenstaaten, über Schwächere herfallen, wenn diese für die Großmächte ihre Schuldigkeit getan haben. So scheint sich in den vergangenen zweieinhalb Jahrtausenden nicht viel verändert zu haben – außer, dass heute Kriege im Nahen Osten die ganze Welt in Gefahr bringen.

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