Akademien in der Antisemitismusfalle

von Martin Schuck

Martin Schuck

„Wir Deutschen können im Umgang mit Juden immer nur in Fettnäpfchen treten.“ Dieser Satz fiel bei einer Akademietagung in Landau zum Thema Antisemitismus. Liest man die Handreichung „Antisemitismus und Protestantismus“ der „Evangelischen Akademien in Deutschland“, könnte man weiterführen: Es ist für Protestanten unmöglich, nicht antisemitisch zu sein, denn die Fallen lauern überall.

Die Autoren, unter ihnen der pfälzische Akademiedirektor Christoph Picker, beklagen, dass das Schuldeingeständnis für das Versagen der evangelischen Kirche im Nationalsozialismus und die Mitschuld an der Verfolgung der Juden zu einer „engen Kopplung von Antisemitismus und Holocaust“ geführt hätten. Deshalb gerate Antisemitismus nur noch in seiner extremen nationalsozialistischen Ausprägung in den Blick.

Diese Argumentation wird auf die Spitze getrieben, wenn der „ehrliche Ekel vor Gewalt und Hass“, den die Menschen gegenüber antisemitischen Terrorakten empfinden, mitverantwortlich gemacht wird für die „Blockade einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit Antisemitismus“. So wird unterstellt, Antisemitismus werde als Problem der anderen betrachtet, eben jenen, die Terrorakte verüben. Die antisemitischen Stereotypen in eigenen Äußerungen würden jedoch nicht beachtet. Auch werde Antisemitismus als Phänomen wahrgenommen, das in der Gegenwart nur noch „in bestimmten Gruppen irrlichtert“. Dabei, so die Autoren, reiche der Antisemitismus bis ins Zentrum der protestantischen Theologie, indem „die gnädige Errettung, die im Kreuzestod und der Auferstehung Jesu vorweggenommen ist“, sich durch „antijüdische Gegenkonstruktionen“ absichere: das Judentum als „vermeintliche Gesetzesreligion“ und die Juden als Leugner des Messias.

Die größte Falle jedoch ist die Kritik an der Politik Israels. Die Akademien beklagen, dass sie in der Vergangenheit Tagungen angeboten hätten, die „konkurrierende Perspektiven auf die Konflikte im Nahen Osten miteinander ins Gespräch bringen sollten“. Dieser Ansatz stoße bei Fragestellungen zu Israel und Palästina an seine Grenzen, weil sowohl Antisemitismus als auch die Staatsgründung Israels „das postnationalsozialistische, deutsche Selbstverständnis“ berührten. Anhand Israels redeten wir über „uns“ und „unsere“ Lehre nach Auschwitz. So stellten sich „zahlreiche Formen der Kritik am israelischen Staat zumindest anschlussfähig … an antisemitische Ressentiments“ dar. Die Konsequenz: „Im Zweifelsfall ist es uns wichtiger, das Vertrauen unserer jüdischen Gesprächspartner nicht zu verlieren, als auf ihre Kosten allen strittigen Positionen Raum zu geben.“

Schöner lässt sich nicht sagen, dass man nur noch mit handverlesenen Personen spricht, damit es keinen Ärger mit jüdischen Verbänden und israelischen Lobbyisten gibt. Da waren die Akademien schon einmal weiter.

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