Christentum kommt aus dem Morgenland

von Klaus Koch

Klaus Koch

Anfang der 1990er Jahre gab es eine kurze Debatte um den Begriff Deutsche Wiedervereinigung. Vor allem Historiker bemängelten, dass Wiedervereinigung suggeriere, ein deutsches Staatsgebilde in den derzeitigen Grenzen habe es schon einmal gegeben. Da dies nicht der Fall ist, blende der Begriff historische Entwicklungen aus und könne zu einem schiefen Geschichtsbild der nächsten Generationen führen. Vielfach wurden die Einwände als kleinlich empfunden.

Doch das sind sie nicht. Immer wieder werden Begriffe in den öffentlichen Diskurs geschmuggelt, die eine falsche Wirklichkeit vortäuschen. Wenn von der Grenzöffnung im Jahr 2015 die Rede ist, wird ein aktives Handeln der Kanzlerin beschrieben. Doch offene Grenzen sind nach dem Schengen-­Abkommen Europarecht. Und an dieses hat sich Merkel gehalten, als sie die Grenzen nicht schloss. Ein weiterer Begriff, der ­Konjunktur hat, ist das christlich-jüdische Abendland, das es zu retten gilt. Doch das Christlich-Jüdische ist eindeutig im Morgenland entstanden und von Migranten nach Westen gebracht worden. Die Wurzeln des Abendlands liegen bei Griechen und Römern mit ihrem stark bevölkerten Götterhimmel.

Das von der AfD aufgebrachte Wort „Altparteien“ hat es sogar bis in seriöse Medien geschafft. Dabei will es nichts anderes sagen, als dass die anderen Parteien das Überkommene, Veraltete verkörpern, während die AfD vermeintlich für die Zukunft steht, was wahrlich nicht so ist. Es ist schade, dass die Gilde der Germanisten nicht stärker mit sprachkritischen Beiträgen öffentlich auftritt. Denn wer erfolgreich Begriffe setzt und verankert, definiert, was viele Menschen für Wirklichkeit halten. Auch wenn es den Tatsachen widerspricht.

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