Mit der Angst wächst auch die Wut

von Nils Sandrisser

Nils Sandrisser

Die Angst wächst. Die Wut auch. Im Sommer noch haben Menschen ankommende Flüchtlinge an Bahnhöfen willkommen geheißen. Heute dreht sich die Debatte um Asylbewerber hauptsächlich um die Sorgen der Alteingesessenen. Sorge vor einwandernden Terroristen, Sorge um den Wert der Eigenheime, Sorge vor Überfremdung. Das haben manche Politiker schnell begriffen. Die rheinland-pfälzische Landtagsfraktion der Union will ein sogenanntes Integrationspflichtgesetz. Demnach sollen alle ­anerkannten Flüchtlinge ein Papier unterschreiben, in dem sie die geltenden Gesetze und Regeln in Deutschland anerkennen.

Das klingt erst einmal gut. Aber die Gefahr lauert zwischen den Zeilen. Selbstverständlich haben sich alle Menschen, ob Neuankömmling oder Alteingesessener, an die Gesetze zu halten. Sie haben Frauen als gleichberechtigt zu behandeln, sie dürfen das Recht nicht selbst in die Hand nehmen. Und natürlich wird es da Probleme mit einigen Zuwanderern geben. Es kommen ja nicht nur nette Menschen hier an. Die jüdische Gemeinde zum Beispiel sorgt sich zu Recht, wenn viele Menschen aus einem Land wie Syrien kommen, in dem Antisemitismus bislang als Staatsräson galt.

Nur darf aus der Sorge keine pauschale Unterstellung werden. Das wäre nämlich selbst ein Bruch unserer gesellschaftlichen Spielregeln und ein Verrat unserer Werte. Ein Bruch, der vielen der Menschen, die sich grölend durch die Straßen Dresdens oder Erfurts schieben, längst egal ist. Der Integrationsgesetz-Vorschlag hat der rheinland-pfälzischen CDU den Vorwurf eingebracht, sie schüre Ressentiments am rechten Rand. Da ist schon etwas dran. Wer jedem einzelnen Flüchtling etwas Selbstverständliches einschärfen will, der unterstellt ihm, dass er nicht gewillt ist, sich an diese Selbstverständlichkeiten zu halten.

Die Taktik dahinter ist durchsichtig. Sie soll den Zulauf für Pegida und die AfD bremsen. Bundesinnenminister Thomas de Mazière (CDU) hat es noch eine Nummer ruchloser versucht. Ende September warnte er, dass 15 bis 20 Prozent der Flüchtlinge Analphabeten und daher gar nicht so ohne Weiteres integrierbar seien. Allein: Es gibt zu den Lese- und Schreibkenntnissen der aktuell ankommenden Asylbewerber überhaupt keine Statistik. Wer Zahlen einfach aus der Luft greift, darf sich nicht beschweren, wenn man ihm Populismus vorwirft.

Diese Taktik geht noch nicht einmal auf. Im Gegenteil, das fremdenfeindliche Gebrüll wird immer lauter und absurder. Die Politiker wollen angeblich das Volk austauschen, so hört man auf Pegida-Demos. Allüberall würden Flüchtlinge Frauen vergewaltigen oder Supermärkte leer klauen. Da können Polizei und Ladeninhaber noch so oft sagen, dass solche Gerüchte haltlos sind, es nutzt nichts. Manche Menschen halten zwanghaft an ihrem schlichten Weltbild fest, das sie sich zusammengereimt haben.

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