Für ein klingendes Stück Ewigkeit

Ernst Kaeshammer ist über Umwege Geigenbauer geworden – Seine Instrumente sind weltweit zu hören

„Himmel“ voller Geigen: Ernst Kaeshammer in seiner Werkstatt in Fußgönheim. Rund 15 000 Euro kostet ein Instrument. Fotos: Kunz

Es riecht ganz wunderbar nach Holz, Harz und Leim. Und der „Himmel“ der mit Arbeitsmaterialien aller Art besiedelten, dabei so heimelig wirkenden Werkstatt hängt nicht nur sprichwörtlich voller Geigen. Wer Ernst Kaeshammers Reich in Fußgönheim betritt, wird erst einmal innehalten. Es ist diese Aura von grundsolidem, zeitlosem wie zeitverschlingendem Handwerk, die sich so spürbar mitteilt; aber mit dem ästhetischen Augenschein auch sofort die Fantasie des inneren Ohrs beflügelt. Da springt Musik ins Auge.

Kaeshammer, Geigenbauer aus Passion, hat sich diese Werkstatt fernab großstädtischer Weltläufigkeit 1992 bewusst „auf dem Land“ eingerichtet. Und hat sich nach teils mühsamem Weg fest etabliert innerhalb der Zunft des – nicht industriell verformten – Geigenbaus. Geboren 1950 in Oppenau im mittleren Schwarzwald hatte Kaeshammer nach der Volksschule zunächst eine Ausbildung als technischer Zeichner absolviert, dann im Mannheimer Abendgymnasium das Abitur nachgeholt, eigentlich mit dem Wunsch, Lehrer zu werden. Hatte sich auf Trompete und Gitarre auch schon mal instrumental ausprobiert und dann – in eher zufälliger Begegnung mit der Folk-Gruppe „Tanzbär“ – eine Art Initialzündung erlebt.

„Ich hab ja als Kind schon gerne mit Holz gebastelt, geschnitzt, ausgesägt und so was alles. Nun kam diese Gruppe, die auch mittelalterliche Stücke musiziert hat, und ich habe begonnen, Fideln zu bauen, dann auch Lauten und Gitarren. Hat großen Spaß gemacht.“ Er sagt das noch heute mit leuchtenden Augen. Natürlich habe er auch mitmusiziert, sogar Stücke geschrieben; das alles als genialer Autodidakt, ein Begriff, der wie ein Ausrufezeichen hinter Kaeshammers Berufsbiografie prangt.

Die Lehrerlaufbahn war rasch ad acta gelegt. 1980 richtete sich Kaeshammer in Mannheim die erste Werkstatt für Gitarren und Lauten ein. Der Weg zur beruflichen Anerkennung als Geigenbauer gestaltete sich steinig und mit bürokratischen Barrieren gepflastert. Kaeshammer studierte, las sich quer durch die einschlägige Literatur, besuchte in Erlangen die Kurse des berühmten amerikanischen Lautenbauers Robert Lundberg und begab sich schließlich, über sieben Sommer hinweg, auf den „Gradus ad Parnassus“ der Geigenbaukunst, besuchte die Internationalen Meisterkurse des berühmten Geigenbauers Jürgen von Stietencron im italienischen Riva del Garda.

Ermuntert durch das Urteil eines Spitzenmusikers wechselte er schließlich vom Zupf- aufs Streichinstrument. „Ich hatte, einfach um das mal auszuprobieren, eine Geige gebaut.“ Die landete in Händen des Prinzipals des in den Nachkriegsjahrzehnten berühmten Assmann-Quartetts, und dessen unzweideutiger Rat lautete: „Streichinstrumente sollten Sie bauen.“

Die Sommerkurse in Riva und deren intensive Nachbereitung, flankiert von Geigenunterricht, mündeten im Meisterbrief als Geigenbauer 1994. Nach dem Prinzip Stradivari baut er seine Instrumente, verrät Kaeshammer, aber durch eigene Kriterien modifiziert, zum Beispiel ein selbst entwickeltes strenges Proportionenkonstrukt. Speziell diesen Bereich unterrichtet er seit Jahren am Institut im vogtländischen Marktneukirchen, der einzigen Fachschule in Deutschland überhaupt mit einem achtsemestrigen Studiengang Geigenbau.

Kaeshammers Geigen und Bratschen, die rund 15 000 Euro kosten, erklingen heute teils an prominenter Stätte, beispielsweise in der Staatskapelle Berlin, dem HR-Rundfunkorchester, der Oper Frankfurt oder dem Nationalorchester von Santiago de Chile. Auch die Musikhochschulen Mannheim, Karlsruhe, Freiburg, Frankfurt und sogar Wien zählen zu seinen Kunden.

Vor dem Erwerb einer Geige gehen nicht selten Monate des Prüfens ins Land. Vertrauen ist unerlässliche Basis. Die Kaufinteressenten nehmen das Instrument mit, üben darauf, spielen Konzerte. „Ich hatte eine Musikerin aus Finnland, die über zwei Jahre hinweg quer durch die Republik alle nur möglichen Bratschen ausprobiert hat. Und letztlich dann meine erworben hat. Es muss einfach passen.“

Man versteht das ein bisschen besser, wenn man dem Meister zusieht; wie er sorgsam seine Lacke aus sechs verschiedenen Harzsorten in Ölen mischt, behutsam über die wunderschöne „Flammenmaserung“ des Geigenbodens streicht, die F-Löcher sanft und mit traumwandlerischem Geschick ausfeilt; wenn man ihm zuhört beim Referieren über die fantastischen Eigenschaften des Hautleims; und sich nicht zuletzt vergegenwärtigt, wie viel minutiöse Sorgfalt und liebevolle Detailbehandlung doch in den letztlich makellosen Schönheiten aus Holz steckt. Drei Monate braucht Kaeshammer mindestens, bis ein Instrument fertig ist.

Heraus kommt ein klingendes Stück Ewigkeit. Denn Materialien und Fertigung sind reparaturfreundlich; Handgefertigte Streichinstrumente lassen sich jederzeit öffnen, um Risse oder andere Schäden zu beheben. Amati und Stra­divari, die Geigenbauschulen der Barockzeit, geben bis heute Zeugnis. Und Ernst Kaeshammer? Der hat sich vorgenommen, noch mit 80 Jahren wunderbare Geigen zu bauen. Gertie Pohlit

Von Ahorn bis Pflaumenbaum

Instrumentenbau beginnt bei den Materialien. Die finden sich seit eh und je in der Natur. Der Korpus der Geige wird gefertigt aus Ahorn – das ist der Boden – sowie Fichte, dem weicheren Holz für Decke und Zargenkranz.

Griffbrett, Stimmwirbel und Saitenhalter sind aus Ebenholz und Palisander, neuerdings vermehrt aus Buchsbaum und Pflaume. Bäume für die sogenannten „Tonhölzer“ bringen es in der Regel auf 200 Jahresringe und sollten mindestens 15 bis 20 Jahre getrocknet sein. Spezielle Sägewerke liefern das Rohmaterial in grob vorgeschnittenen Blöcken. Boden und Decke werden mithilfe von Schablonen geschnitten, gewölbt und verfugt. Das Material für den Zargenkranz wird zu Streifen geschnitten und mit einem 300 Grad heißen Biegeeisen in die passende Form überführt. Die Zargenteile werden auf dem Boden aufgeschachtelt und die Decke aufgesetzt beziehungsweise verleimt, nachdem innen der Bassbalken befestigt und die wichtigen F-Löcher eingeschnitten sind.

Wenn der Hals in den Korpus eingepasst ist, wird das Holz mit Lack poliert. Anschließend wird die sogenannte „Schnecke“ geschnitzt, werden Saitenhalter, Steg und Stimmstock aufgesetzt sowie die Wirbel aufgezogen. Die vier Saiten bestehen heute aus einem Kunststoffkern und sind mit Aluminium oder Silber ummantelt. gpo

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