Viele Flüchtlinge finden eine neue geistliche Heimat

Beauftragter für Christen anderer Sprache und Herkunft im Gespräch – Miteinander entwickelt sich – Zahlreiche Taufen und Glaubenskurse

Kirchenmitglieder und Flüchtlinge im Gespräch: Begegnungscafé der Kirchengemeinde von Enkenbach-Alsenborn. Foto: view

Viele Flüchtlinge haben in den vergangenen Jahren in Gemeinden der Evangelischen Kirche der Pfalz eine neue geistliche Heimat gefunden. „Sie haben uns belebt und uns verändert“, sagte Pfarrer Arne Dembek, der Beauftragte der pfälzischen Landeskirche für Christen anderer Sprache und Herkunft, dem KIRCHENBOTEN in Speyer. In einigen Gemeinden entwickele sich „eine Kultur des Zusammenlebens“. Mehrere Kirchengemeinden böten Tauf- und Glaubenskurse oder interkulturelle Gesprächskreise an, in denen Neugetaufte und alteingesessene Pfälzer Protestanten sich über Themen des Glaubens und Lebens austauschten.

Sein Eindruck sei, dass das Thema Flüchtlinge und entsprechende Angebote inzwischen zum „Grundrepertoire“ in vielen Gemeinden gehörten, sagte Dembek. Dennoch gebe es zahlreiche Kirchengemeinden, in denen Flüchtlinge keine große Rolle spielten. Teils bestünden nur wenig Berührungspunkte, teils wollten Pfarrer und Presbyterien „hier bewusst keinen Arbeitsschwerpunkt setzen“, sagte der Pfarrer aus Kandel. Insofern spiegele die Kirche die verschiedenen Umgangsweisen mit dem Thema Flüchtlinge in der Gesellschaft.

Offenen Widerstand gegen eine Integration der Flüchtlinge in das Gemeindeleben hat Dembek nicht beobachtet. Allerdings habe der Elan vieler Helfer nach einer Willkommenskultur im Jahr 2015 nachgelassen, oft seien sie ausgelaugt. Wie viele Flüchtlinge derzeit Kirchenasyl gefunden haben, will die Landeskirche nach den Worten ihres Pressesprechers Wolfgang Schumacher „aus Rücksicht auf die betreuten Personen und deren laufende Fälle“ nicht sagen.

Trotz zahlenmäßig überschaubarer Projekte für Flüchtlinge sieht Dembek Anzeichen für einen Bewusstseinswandel in der Kirche. In den Gemeinden werde vermehrt wahrgenommen, „dass es überhaupt Christenmenschen aus dem Nahen und Mittleren Osten gibt und dass diese bei uns und mit uns leben“, sagte er. Häufiger würden Kirchengemeinden ihre Räume etwa für alt-orientalische Christen zur Verfügung stellen. In der Vorderpfalz gebe es interessante „Experimente“ der Zusammenarbeit mit arabischen Gemeinden.

Vor allem Muslime aus dem Iran und aus Afghanistan ließen sich aus ernsthafter Glaubensüberzeugung taufen, sagte Dembek. Zu Beginn der europäischen Flüchtlingskrise vor zwei Jahren seien viele Flüchtlinge zum Christentum übergetreten, um nicht aus Deutschland abgeschoben zu werden. Auch hätten die Ausländerbehörden nunmehr mit „Glaubensprüfungen“ erreicht, dass es für Flüchtlinge nicht mehr ausreiche, „den Taufschein zu zeigen, um auf der sicheren Seite zu sein“, sagte der Pfarrer. Die Zahl der Flüchtlingstaufen sei in der Landeskirche hoch, werde aber nicht statistisch erfasst. Dembek schätzt, dass in jedem pfälzischen Dekanat jährlich zwischen fünf und zehn Flüchtlinge zum Christentum konvertieren: insgesamt 80 bis 120 Flüchtlingstaufen.

Weil viele Flüchtlinge inzwischen viel besser Deutsch sprächen, gebe es mehr Kontakte zu den Pfälzer Protestanten, sagte Dembek. Auch hätten die Gemeinden mehr Informationsmaterial, um mit Menschen aus anderen Kulturen besser arbeiten zu können. Ein neues in Zusammenarbeit mit der badischen Kirche erstelltes „Impulsheft für Gesprächsabende“ solle Ende November erscheinen. Anfeindungen von rechtsextremistischer oder auch von islamistischer Seite habe er bei seiner Flüchtlingsarbeit bisher nicht erlebt, versicherte Dembek.

Für die Kirchengemeinden stelle sich nun die Frage: „Was tun wir mit den angekommenen Flüchtlingen?“ Im Austausch mit ihnen müssten neue Konzepte entwickelt werden, um sie verstärkt am Gemeindeleben zu beteiligen. Beispiele könnten Gesprächskreise sein, in denen Flüchtlinge und Kirchenmitglieder ihre Wünsche und Erwartungen aneinander richten. Kirchengemeinden mit zahlreichen Flüchtlingen könnten Gottesdienste mehrsprachig anbieten – etwa auf Deutsch und Arabisch, schlägt Dembek vor. Alexander Lang

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