Vom Kiesstrand bis zum Kindergarten

Kirchengemeinden wollen mit Taufen Kirche im Gespräch halten – Vier Pfarrer und ihre Erfahrungen

Klassische Taufe: Pfarrer Thomas Kiefer in der Pauluskirche Ludwigshafen. Foto: pv

Die Kirchenbezirke der Evangelischen Kirche der Pfalz verzeichnen jährlich pro 100 Gemeindemitglieder im Durchschnitt maximal eine Taufe. Vier Pfarrer erzählen, wie sie versuchen, die Taufe und damit auch die Kirche im Alltag zu verankern.

„Wenn der Pfarrer die Schuhe auszieht, hat das etwas Leichtes, Menschliches.“ Vor einem Jahr stand Uwe Wei­nerth barfuß im Talar am Rheinstrand in Speyer. Der Pfarrer der Protestantischen Auferstehungskirchengemeinde Speyer taufte zwei Erwachsene mit Rheinwasser. An der Blies in Ludwigshafen praktizieren die Pfarrer des Stadtteils Gartenstadt und der Matthäuskirchengemeinde das ähnlich. Einen Jugendlichen tauchten die Pfarrer sogar mit dem ganzen Körper ins hüfttiefe Wasser, so wünschte er es sich. Diese Praxis erinnert an die Tradition im Jordan und anderen Teilen der Welt.

Ob innovativ oder traditionell – der Speyerer Pfarrer Weinerth plädiert für eine „belebende, befreiende Taufe“: Bei der Freilufttaufe wendete er eine einfache Liturgie an, die Taufgemeinde sang ein Lied und stand für den Segen im Kreis. Nebenbei sprangen spielende Kinder ins Wasser. Camping-Gäste am Kiesstrand interessierten sich plötzlich für das Ritual. „Wenn Kirche aus seinen Mauern rausgeht, kommt man schnell ins Gespräch und erinnert Menschen an die eigene Verbindung zur Kirche“, erzählt Weinerth. Die Auferstehungskirche sei eine eher nüchterne Kirche. Familien wanderten für die Taufe häufig in andere Gemeinden ab. So nutzt die Gemeinde den vermeintlichen Nachteil. „Wir liegen am weitesten vom Stadtzentrum entfernt, nah an der Natur. Da bieten sich Gottesdienste im Freien an“, sagt Weinerth. Mehr draußen zu sein, das hat die Gemeinde bis 2025 zu ihrem Ziel gemacht. Der Landeskirchenrat bescheinigte, dass Naturtaufen statthaft sind.

Eine ähnliche Attraktion haben Gottesdienste im Wald. Einmal im Jahr beteiligt sich das Protestantische Pfarramt Maikammer an einer Reihe von Waldgottesdiensten an der Totenkopfhütte, organisiert vom katholischen Pfarrverbund. Pfarrer Jochen Keinath packt dafür Taufschale, weiße Tischdecke, Bibel, Kerze sowie einen Behälter mit angewärmtem Taufwasser ein, um damit in der Schutzhütte im Wald aus einem Tisch einen Altar zu bereiten. In diesem Jahr erhielten dort zwei Kinder die Taufe. 200 Leute schauten dabei zu: Protestanten und Katholiken, Familien- und Gemeindemitglieder sowie Wanderer, die von der Musik des Posaunenchors angezogen wurden. „Man muss im Freien mehr improvisieren und beim ersten Mal Mut zeigen“, sagt Pfarrer Jochen Keinath, der damit Routine hat. Er achtet trotz der ungewohnten Umgebung auf gewisse liturgische Handlungen. Die besondere Stimmung beim Waldgottesdienst spricht sich schnell herum. Tauffamilien fragen schon für 2018 an. „Den Pfarrerkolleginnen und -kollegen wird immer bewusster, dass man auf die Leute zugehen muss. Manchem fällt das leichter als dem anderen“, sagt Keinath.

Die Zahlen in Maikammer sprechen dafür: 15 bis 20 Taufen gibt es im Jahr, „meist mehr als Bestattungen“. Die Gemeinde Maikammer ist offen und jünger als die meisten in der Pfalz. In den Neubaugebieten wohnen viele neue Familien. „Wir haben eine Taufe an einem Sonntagabend in einer Vinothek gefeiert mit anschließendem Umtrunk und Jazzbegleitung. Das hat eine ungezwungene Atmosphäre erzeugt, sogar Leute von der Straße haben sich dazugesetzt. Das hat im Nachhinein auch die Kritiker überzeugt“, sagt Keinath, der auch skeptische Stimmen kennt. Kirche solle dorthin gehen, wo die Menschen sind. Und Wein habe sowieso etwas Kommunikatives, vor allem in der Pfalz.

In Bad Bergzabern, dem an Mitgliedern kleinsten Dekanat, geht man dorthin, wo die Kinder sind: Angela Fabian hält im Kindergarten Taufen ab. „Das findet im kleinen Kreis am Freitagnachmittag nach Kindertagesstätten-Schluss statt, im kleinen Kreis mit der Mutter des Täuflings, den Großeltern und Paten.“ So erreicht Fabian sozial schwächere Familien oder Alleinerziehende, die denken, das Kind müsste in der Kirche besondere Taufkleidung tragen, die sie nicht finanzieren können.

Auch in der benachbarten Kirchengemeinde Minfeld-Winden sucht Pfarrer Henning Lang den Kontakt zu den Eltern. Mit 26 Taufen bis Ende dieses Jahres verzeichnet die kleine Gemeinde fast zwei Taufen pro 100 Gemeindemitglieder. Weil er selbst kleine Kinder hat, kommt er leicht mit jüngeren Familien in Kontakt. „Es lohnt sich sehr, Zeit in die Beziehung mit Tauffamilien zu investieren und sie zum Thema Kirche stärker zu prägen. Man hat im Taufgespräch Kontakt zu Menschen, die sonst wenig mit Kirche anfangen können“, erzählt Lang.

Die Gemeinde bietet Gottesdienste für Große und Kleine an, hat vom Clown bis zur Handpuppe unterhaltsame Formate in die Liturgie integriert. Weil der Sonntag Familien zunehmend als Familienzeit heilig ist, feiert die Minfelder Gemeinde einen speziellen Krabbelgottesdienst schon am Samstag um 14 Uhr. Die Andacht dauert 25 Minuten, danach gibt es ein Bastelangebot und Kaffee für die Eltern. Meist kommen um die 16 Familien, auch aus der Umgebung. Bei den Taufen lehnt Lang Individualität jedoch ab: Sie sind in den regulären Sonntagsgottesdienst eingebunden. „Es geht nicht um ein außergewöhnliches Event. Ich halte die Liturgie zur Wiedererkennung klassisch. Das ermöglicht Spielräume für eine Taufansprache, in der ich auf die Familie eingehe oder sie sich beteiligen kann“, ist Lang überzeugt. Aus seiner Sicht wollen junge Eltern ihrem Kind mit der Taufe heutzutage eine kulturelle Heimat mitgeben. „Die jetzigen Eltern haben weniger Vorbehalte gegen die Kirche als die ältere Generation. Sie denken mehr darüber nach, ihrem Kind eine Zugehörigkeit und ein Wertesystem zu vermitteln, das es in der Vielfalt der Religionen trägt.“

Auch Erwachsene sind für Kirchengemeinden potenzielle Täuflinge. Volker Schönenberg von der Lukas-Kirchgemeinde Landau gibt Tauf- und Konfirmationsunterricht für Aussiedlerfamilien, die in ihrem Heimatland keine ­Taufe oder eine nicht registrierte Taufe erhalten haben. In Kandel geht Pfarrer Arne Dembek noch einen Schritt ­weiter: Mit Taufunterricht auf Farsi spricht er eingewanderte oder geflüchtete Christen an. Katja Edelmann

Taufzahlen stabil

4568 Taufen fanden im Jahr 2016 in der Evangelischen Kirche der Pfalz statt. Insgesamt sind die Taufen in den einzelnen Kirchenbezirken damit im Vergleich zum Jahr 2015 leicht gestiegen (4190). Spitzenreiter war 2016 das Dekanat Speyer mit 498 Taufen bei 44298 Mitgliedern (1,1 Prozent). Am seltensten im Verhältnis zur Kirchenmitgliedszahl wurde 2016 in den Dekanaten Kaiserslautern (219 Taufen; 0,6 Prozent) und Ludwigshafen (275 Taufen; 0,7 Prozent) getauft. edj

Paten notwendig

Nach Landeskirchenrecht ist für die Kindstaufe mindestens ein Pate nötig, höchstens sechs sind möglich. Mindestens einer muss der evangelischen Kirche angehören, getauft und konfirmiert sein. Weitere müssen einer Kirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen angehören. Paten aus einer anderen Gemeinde müssen einen Patenschein vorlegen, den das Heimatpfarramt ausstellt. Das Patenamt kann nicht entzogen werden und gilt bis zur Religionsmündigkeit (14. Geburtstag). edj

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