Ein Glücksfall für das kleine Dorf in der Westpfalz

Der neue Cap-Supermarkt in Brücken sichert die Nahversorgung für 2200 Einwohner – Fünf der zehn Mitarbeiter haben Beeinträchtigungen

Das Diakoniewerk Zoar hat 750 000 Euro ins Geschäft gesteckt (von links): Thorsten Walter und Marktleiter René Happe. Foto: Sayer

Er ist ein Glücksfall für das Dorf, und einige Mitarbeiter haben in ihm ihren ersten, richtigen Job gefunden: Die Rede ist vom Cap-Supermarkt im westpfälzischen Ort Brücken. Vor gut vier Monaten eröffnet, hat das Konzept die Erwartungen der Betreiber erfüllt, bilanziert Torsten Walter von der Rockenhausener Beschäftigungsgesellschaft. Das Inklusionsunternehmen, Tochter des Evangelischen Diakoniewerkes Zoar, investierte rund 750 000 Euro in den Lebensmittelmarkt.

Das Geschäft war zuvor von der Lebenshilfe betrieben worden – mit roten Zahlen. Ende November vergangenen Jahres war Schluss. Dass nach umfangreicher Renovierung fünf Monate später Wiedereröffnung gefeiert werden konnte, ist auch Ortsbürgermeister Pius Klein zu verdanken. Er knüpfte an bereits bestehende Beziehungen zu ­Zoar an, das in Brücken bereits die ökumenische Sozialstation betreibt. „Für Brücken ist das Lebensmittelgeschäft eine existenzielle Einrichtung“, sagt Klein. Die Bürger in dem 2200 Einwohner zählenden Ort seien erleichtert über die gesicherte Nahversorgung. Und Geschäftsleute profitierten durch die Belebung des Dorfkerns.

Auf rund 500 Besucher pro Tag schätzt Walter die Kundenfrequenz, Tendenz steigend. „Wir punkten mit einem modern eingerichteten Markt und mit Freundlichkeit“, betont der Prokurist der Rockenhausener Beschäftigungsgesellschaft. Marktleiter René Happe sei ständig dabei, das Sortiment an die Bedürfnisse der Kunden anzupassen. Unter den 8000 Artikeln finden sich auf 430 Quadratmetern auch Bio-Lebensmittel sowie Waren aus fairem Handel. Fündig werden zudem Vegetarier, Veganer oder Lactoseallergiker. „Man muss mit der Zeit gehen“, weiß der 32-jährige Kaufmann und zeigt ein Päckchen Nudeln aus roten Linsen. Bestellt wird bei Edeka. Von Apfelbrei über Batterien bis Zitronensaft reicht das Sortiment im Cap-Markt. Wurst und Fleisch gibt es von der Metzgerei Braun. Demnächst sollen es Edelpilze aus der Zoar-Pilzzucht in Alzey geben.

Der Name Cap-Markt leitet sich vom englischen Handicap (Benachteiligung) ab. Hinter dem Prinzip der Cap-Märkte steckt das Ziel, die Arbeitsplatzsituation zu verbessern und die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu erweitern. Zehn Mitarbeiter sind in Brücken beschäftigt, die Hälfte davon hat Beeinträchtigungen. Das ist mehr als die vom Franchise-Geber der Genossenschaft der Werkstätten Süd geforderten 40 Prozent.

Dass die Kassiererin im Cap-Markt taub ist, stört dort niemanden. „Die Frage ist nicht, welche Probleme die beeinträchtigten Mitarbeiter haben, sondern was sie können“, betont Walter. „Die Zusammenarbeit klappt super“, bestätigt Mitarbeiterin Martina Herrmann. Laut Happe sind alle Mitarbeiter hoch motiviert. „Es war noch keiner krank“, betont er nach vier Monaten Betrieb.

Doch Happe weiß auch, dass ein Inklusionsbetrieb kein Ponyhof ist. „Wir kämpfen um jeden Kunden“, sagt der Kaufmann mit Blick auf die Konkurrenz durch Discounter. „Wir versuchen den Spagat zwischen sozialer Arbeit und wirtschaftlichem Arbeiten. Das geht nur durch Persönlichkeit“, weiß Happe und fügt hinzu: „Keiner soll unzufrieden gehen.“ Geplant sei künftig zudem ein Lieferservice.

Von der Doppelpräsenz des Betreibers mit Sozialstation und Cap-Markt verspricht sich Zoar manchen Synergie­effekt. So könne die Schwester auf ihrer Tour gleich den Einkauf mitbringen, so eine Überlegung für die Zukunft. In den rund 100 Cap-Märkten bundesweit arbeiten etwa 1380 Personen – davon sind knapp 800 behindert. Brücken ist nach Herxheim, Thaleischweiler und Zweibrücken der vierte Cap-Markt in der Pfalz. Für das Evangelische Diakoniewerk Zoar bildet der Inklusionsladen ein neues, offenbar erfolgreiches Betätigungsfeld. Walter: „Bei positiver Standortanalyse wären wir sicherlich nicht abgeneigt, bei einem weiteren Cap-Markt als Betreiber einzusteigen.“ suca

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