Geburtstagskuchen und Gegensprechanlagen

Pfarrer und Ehrenamtliche haben mit den Besuchsdiensten in ihren Kirchengemeinden vollkommen unterschiedliche Erfahrungen gemacht

Schult Ehrenamtliche für den Besuchsdienst und kommt auch selbst zu Jubilaren: Gemeindediakon Wilfried Wierzbicki. Foto: Stepan

Trotz künftig weniger Pfarrer will die Landeskirche „in der Fläche präsent bleiben“, erklärte Oberkirchenrätin Marianne Wagner in der jüngsten Landessynode. Dazu gehört die Seelsorge vor Ort, zu der auch Geburtstags- und Krankenbesuche zählen. Unterstützung bekommen viele Pfarrer durch Ehrenamtliche, die zum Teil extra dafür geschult werden.

„Ich finde das eine tolle und wichtige Sache“, sagt Pfarrer Milan Unbehend, der im März vergangenen Jahres seine Stelle in Großbundenbach angetreten hat, zum Besuchsdienst. Allerdings setze ihn der zu­nehmende Verwaltungsaufwand unter Druck. Dazu kommt, dass er für sieben Predigtstellen zuständig ist. Unterstützung bekommt er vom Presbyterium, das die Besuchsdienste zu allen nicht runden Geburtstagen ab dem 80. Geburtstag erledigt.

Unbehend kommt ab dem 75. Geburtstag zu den Jubilaren, danach alle fünf Jahre. Der Besuchsdienst werde beibehalten, auch wenn es weitere Ideen gibt: beispielsweise eine Art Kurzgottesdienst wie beim Adventssingen in den Kirchengemeinden Wiesbach und Großbundenbach im vergangenen Jahr. Dann aber vor allem für Menschen, die vereinsamt sind, zu Hause sitzen. „Auch wenn Menschen nach Bestattungen auf sich allein gestellt sind, sollte Zeit für einen Besuch sein“, sagt Unbehend. Bei Geburtstagen hingegen sei es mitunter so, dass man zum Jubilar häufig aufgrund des großen Trubels gar nicht durchdringe, tiefe Gespräche gar nicht aufkommen. Eine mögliche Alternative zu regelmäßigen Geburtstagsbesuchen könnten deshalb Veranstaltungen sein, zu denen man zentral einlade. „Das Problem ist aber, dass für die Vorbereitungen dann die gleichen Personen herangezogen werden müssen wie bei Gemeindefesten ohnehin schon.“

Mit Ehrenamtlichen, die Besuchsdienst übernommen haben, hat Pfarrer Friedhelm Hans in Landau gemischte Erfahrungen gemacht. „Einige haben lediglich Glückwunschkarten eingeworfen, andere haben mehr von sich selbst erzählt und hätten wohl eher selber seelsorgerischen Beistand gebraucht.“ In der Kirchengemeinde Landau-Horst kommt Hans zu jedem Jubilar ab dessen 70. Geburtstag, außerdem zu Kranken, wenn er davon hört. Die Menschen freuten sich in der Regel. „Mir ist es in 40 Jahren nur einmal passiert, dass ich rausgeworfen wurde“, sagt er. In diesem Fall habe das wohl daran gelegen, dass kurz zuvor die Zeugen Jehovas beim Jubilar vorbeigeschaut hatten, klärte sich später. „Hinterher hat sich das Geburtstagskind entschuldigt, mit 500 Mark für die Gemeinde“, sagt Hans.

Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen schult Gemeindediakon Wilfried Wierzbicki seit rund sieben Jahren Ehrenamtliche, die sich am Besuchsdienst beteiligen möchten. Er hat auf diese Weise mehrere Besuchskreise im Dekanat Pirmasens aufgebaut, darunter in Dahn, Erlenbrunn, Rumbach und Thaleischweiler-Fröschen. In der Lutherkirchengemeinde Pirmasens besucht der Religionspädagoge selbst Geburtstagskinder, kranke und alte Menschen. „Viele sind einsam, brauchen diese Gespräche“, sagt Wierzbicki. „Wir versuchen aber auch, diese Menschen in die Gemeinde zu holen.“ Dazu wurde jüngst etwa ein Spieletreff gegründet. „Bei drei, vier Personen hat das schon geklappt“, freut er sich.

Bei den Schulungen geht es zum einen um Gesprächsführung. Schließlich kommen die Ehrenamtlichen zu fremden Menschen. Dann stellen sich Fragen, ob etwa gebetet werden soll oder nicht. Oder wann der richtige Zeitpunkt ist, wieder zu gehen. „Nonverbale Kommunikation haben wir jüngst besprochen.“ Häufig treffe man auch auf Angehörige des zu Besuchenden, die ebenfalls Redebedarf haben. „Demenz ist hier ein großes Thema“, sagt Wierzbicki. Deshalb bezieht er das Thema Validation und Biografiearbeit in seine Schulungen mit ein. Selbst hat Wierzbicki nach eigenen Aussagen bei seinen Besuchen durchweg positive Erfahrungen gemacht. Auch wenn mitunter auf die Kirche geschimpft werde. Schließlich werden bei den Geburtstagsbesuchen kirchenferne Menschen genauso besucht, die mitunter auf die Institution nicht gut zu sprechen seien. „Aber ich kann Antwort geben, die Dinge klarlegen“, sieht das Wierzbicki als gute Gelegenheit, in Kontakt zu kommen.

Dass Ehrenamtliche mit Frust umgehen können müssen – was auch in Wierzbickis Schulungen Thema ist –, wird aus der Schilderung von Jennifer Hoppstädter aus der Kirchengemeinde Kaiserslautern-Hohenecken deutlich. „Früher gab es einen Besuchskreis, der ist eingeschlafen“, erzählt sie. Zuletzt waren die Ehrenamtlichen vor Ort durch eine längere Vakanz stark beansprucht. Dazu kam, dass immer wieder vonseiten der besuchten Jubilare zu hören gewesen sei, sie wünschten sich den Pfarrer persönlich, was dazu führte, dass sie einen Kompromiss finden musste, als sie vor einem Jahr die Stelle antrat. „Jetzt besuche ich Jubilare zum 80., 85. und 90. Geburtstag, zum 75. Geburtstag und an den übrigen Geburtstagen ab 80 aufwärts gibt es eine Karte.“ Wenn explizit ein Besuch gewünscht werde, komme sie selbstverständlich. Auf diese Weise komme sie auf 60 bis 80 Besuche im Jahr. „Das ist zu machen.“

Mit gemischten Gefühlen betrachtet der ehemalige Presbyter Fritz Emrich den Besuchsdienst. In den 1970er Jahren hatte er den Besuchsdienstkreis in der Kirchengemeinde Grünstadt gegründet. Acht, neun Leute hatten sich damals freiwillig gemeldet, ähnlich viele sind es auch heute noch. Sie übernehmen beispielsweise Besuche bei nicht runden Geburtstagen ab dem 75. Lebensjahr. Zwischenzeitlich besuchten die Ehrenamtlichen auch Neuzugezogene im Ort. „Die Reaktion war aber sehr verhalten“, sagt Emrich. So bekamen die Ehrenamtlichen die Neubürger oft gar nicht zu Gesicht, mussten sich stattdessen von knisternden Gegensprechanlagen abweisen lassen.

„Wir haben eine große Distanz festgestellt, leben in einer areligiösen Gesellschaft“, sagt Emrich. Dabei gehe es bei dem Besuch ja in erster Linie um das Vorstellen dessen, was die Kirche vor Ort anbiete, nicht um Mission, wie ihnen von mancher Seite unterstellt werde. Inzwischen gibt es statt dem Besuchsdienst für Neubürger eine schriftliche Einladung. „Die Ehrenamtlichen können dann selbst entscheiden, ob sie sie einwerfen oder klingeln.“ Emrich sieht Besuchsdienste als wichtig an, gerade durch die stärkere Belastung von Pfarrern. „Es könnte ein wertvolles Teilstück zur Erhaltung von Kirchengemeinden sein.“ Allerdings benötige man dafür die starke Unterstützung der Gemeinde, sagt Emrich. Das sei nicht immer gegeben. Florian Riesterer

Meistgelesene Artikel