Glocke aus dem Jahr 1934 läutet weiter in der Kirche

Hitler-Inschrift in kleinster Glocke der Jakobskirche Herxheim am Berg sorgt für Gesprächsstoff – Kommune und Kirche halten an Geläut fest

Trägt Hakenkreuz und Hitler-Inschrift: Eine der drei Glocken im Geläut der Jakobskirche in Herxheim am Berg. Foto: Franck

Relikt: In der Jakobskirche Herxheim am Berg hängt die Glocke von 1934. Foto: Franck

„Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hitler“, eine Glocke mit dieser Inschrift tut neben zwei anderen im Turm der protestantischen Jakobskirche in Herxheim am Berg ihren Dienst – seit 83 Jahren. Das ist ungewöhnlich, wurden doch alle Glocken mit ähnlichen Inschriften nach dem Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen, sagt Birgit Müller, Glockensachverständige der Evangelischen Kirche der Pfalz. „Ich selbst war erstaunt, als ich die Aufschrift gesehen habe“, sagt Müller. Weder aus dem Bistum Trier noch aus der rheinischen Landeskirche, wo sie außerdem Dienst tut, sind ihr erhaltene Hitler-Glocken bekannt.

Dass die Glocke so lange überlebt hat, verdankt sie offenbar ihrer Nutzung als Polizeiglocke, die beispielsweise bei Gefahren die Bürger warnte, sagt Pfarrer Helmut Meinhardt von der Evangelischen Kirchengemeinde Weisenheim am Berg, zu der auch Herxheim gehört. Jetzt ruft sie die Gläubigen zum Gottesdienst. Das stört etwa Sigrid Peters aus Weisenheim am Berg, die mehr als zehn Jahre in der Kirche orgelte – und nun über einen Freund, der Hinweise in einem Archiv fand, von der Glockeninschrift erfuhr. Sie finde es im Nachhinein furchtbar, dass sie dort „Von guten Mächten“ mit dem Liedtext Bonhoeffers gespielt habe, während im selben Gottesdienst jene Glocke zu hören gewesen sei. „Dabei hat Hitler persönlich die Ermordung Bonhoeffers angeordnet.“ Peters plädiert zumindest für ein Abstellen des Läutens oder eine Hinweistafel im Innern der Kirche. „Man muss so etwas wissen.“ Diese Idee findet auch Hanjörg Schmidt, ehemaliger Presbyter in der Kirchengemeinde und Mitglied in der Bezirkssynode, „nicht schlecht“.

Für Pfarrer Meinhardt ist die Aufschrift ein Ärgernis. Gleichzeitig sei die Glocke aber ein Zeitdokument. „Ich habe innerlich die Glocke entnazifiziert“, sagt der Vorsitzende des Vereins für Pfälzische Kirchengeschichte. Er will sie deshalb weiter klingen lassen. Ihr Klang sei für ihn nun ein Mahnläuten, in dem eine Zeile aus der Barmer Theologischen Erklärung mitklinge: „Wir verwerfen die falsche Lehre.“

Die Glocke aus dem Turm holen und einschmelzen lassen oder die Inschrift abschleifen – was nach Müller eine Veränderung der Tonhöhe verursachen könnte – kann er ohnehin nicht. Sie gehört wie der Turm auch der politischen Gemeinde. Ortsbürgermeister Ronald Becker sieht die Sache ganz pragmatisch: „Eine funktionierende Sache sollte man nicht ändern und die drei Glocken sind ja aufeinander abgestimmt“, sagt Becker. Spezielle Hinweise auf die Glocke und Hakenkreuze im Gesims der Kirche, wie sie viele Gebäude haben, die in dieser Zeit saniert wurden, findet er nicht sinnvoll. „Wir wollen das in Herxheim nicht besonders herausstellen.“ Überdies habe sich bei ihm noch nie jemand über die Glocke beschwert. So wird sich auch der Gemeinderat nicht mit der Sache beschäftigen.

Sollte es tatsächlich irgendwann darum gehen, die Glocke abzunehmen, gilt es allerdings, den Denkmalschutz zu beachten. Darauf weist Bernd Ehrhardt von der Bauabteilung der Landeskirche hin. „Grundsätzlich geht im Denkmalschutz der Erhalt vor der Erneuerung, dem Ersatz oder sogar der dauerhaften Beseitigung“, sagt Raimund Rinder von der Unteren Denkmalschutzbehörde der Kreisverwaltung Bad Dürkheim. Die Entscheidung treffe letztendlich die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz.

Was Meinhardt in seiner Funktion als Pfarrer tun könnte, ist, die Glocke aus dem Läuten herauszunehmen. Davon rät die Glockensachverständige Müller allerdings ab. „Dann klingt nur noch eine Terz, das hören Sie sich maximal zwei Minuten an.“ Eine Ersatzglocke würde laut Müller 50000 Euro kosten, Geld, das die Kirchengemeinde nicht ausgeben kann. Schließlich müssen über die kommenden Jahre für mindestens 200000 Euro Risse im Mauerwerk beseitigt werden, sagt Meinhardt. Die Glockensachverständige sieht ein Entfernen der Glocke nicht allein der Kosten wegen kritisch. „Die Glocken sind Teil einer nicht immer rühmlichen Geschichte, das ist nicht zu leugnen. Sie sind ein Mahnmal für kommende Generationen.“ Dass es besser sei, wenn die Glocke statt im Turm in einem Museum hängen würde, bezweifelt Müller. „Das führt möglicherweise noch zu mehr Diskussionen.“ Florian Riesterer

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