Kindheitserinnerungen zum Verkauf

Sehr viele Gemeinden trennen sich von ihren Pfarrhäusern – Renovierungskosten sind großes Problem

Die anstehende Sanierung wäre zu teuer gewesen: Das Pfarrhaus Wallhalben wurde vergangene Woche verkauft. Foto: Seebald

Es sind nicht mehr ausschließlich Pfarrer und Pfarrerinnen, die Pfarrhäuser in der Pfalz bewohnen. Viele sind mittlerweile normale Wohnhäuser geworden. Im Zellertal eröffnete im ehemaligen Pfarrhaus vergangenes Jahr gar eine Weinstube. Seit 2005 haben nach Angaben der Landeskirche allein 41 Gemeinden ihr Pfarrhaus verkauft.

Erst vor wenigen Tagen ging das Pfarrhaus in Wallhalben an einen privaten Käufer, sagt Renaldo Dieterich von der Hauptverwaltung Pfründevermögen. In das Gebäude war jahrelang nichts investiert worden. Entsprechend teuer wäre die anstehende Renovierung gewesen, berichtet Pfarrerin Petra Armbrust-Stepponat. Im wenige Kilometer entfernten Herschberg dagegen stand ein ehemaliges Pfarrhaus zur Verfügung, das die dortige Gemeinde als Wohnhaus vermietet hatte. Durch die Umwidmung in ein Pfarrhaus entgehen der Kirchengemeinde Herschberg zwar die Einnahmen durch die bisherigen Mieter. Allerdings leistet Wallhalben nun eine monatliche Ausgleichszahlung an Herschberg, weil es ebenfalls das Pfarrhaus nutzt, sagt Dieterich. Auch wenn der Erlös des Verkaufs zu 100 Prozent nach Wallhalben fließt, sei dieser für viele Gemeindemitglieder nicht leicht zu verkraften, erklärt Armbrust-Stepponat. Schließlich wiegt vor allem der Verlust des eigenen Pfarrhauses. Auch deshalb tat sich das Presbyterium nicht leicht mit der Entscheidung, sagt die Pfarrerin.

Solche schwierigen Entscheidungsprozesse kennt Dieterich. Häufig ist er als Berater in Presbyterien, wenn es darum geht, das Pfarrhaus zu verkaufen. „An diesem Gebäude hängen für viele Gemeindemitglieder persönliche Erinnerungen, oft aus der Kindheit. Solche Sitzungen sind sehr emotionsgeladen.“ Welche Bedeutung Pfarrhäuser hätten, zeige, dass auch Jahre nach Umwidmungen in Orten vom „ehemaligen Pfarrhaus“ gesprochen werde, sagt Dieterich. Auch aus diesem Grund benötigt jeder Verkauf eine kirchenaufsichtliche Genehmigung. In Gemeinden, in denen die Pfarrerstelle nicht besetzt ist, aber das Dezernat eine Neubesetzung anstrebt, rät die Landeskirche beispielsweise von Verkäufen ab. „Schließlich gilt weiter die Residenzpflicht“, sagt Dieterich. Möglich ist in solchen Fällen aber eine Vermietung des Pfarrhauses.

Schätzt aber ein Gutachter – den Dieterich generell den Gemeinden empfiehlt – das Gebäude so marode ein, dass eine Renovierung zur anschließenden Nutzung oder Vermietung nicht zu stemmen ist, bleibt nur der Verkauf. „Wir raten in solchen Fällen immer zu einem Bieterverfahren“, sagt Dieterich. Damit könne die Gemeinde oft höhere Summen erzielen als mit einem Direktverkauf. So kam beispielsweise im vergangenen Herbst das Pfarrhaus in Mittelbach mit einem Mindestgebot von 135 000 Euro unter den Hammer. Mit dem Geld, das nach ausstehenden Rückzahlungen an die Landeskirche und Wattweiler bleibt, soll die Mittelbacher Kirche renoviert werden, berichtet Pfarrer Reiner Conrad. Ebenfalls im vergangenen Jahr wurden Kaufverträge für Pfarrhäuser in Hinterweidenthal, Kaiserslautern, Ludwigshafen, Schweigen-Rechtenbach, Winnweiler und Otterberg unterzeichnet.

Doch nicht nur anstehende Renovierungskosten lassen Presbyterien für den Verkauf stimmen. Oft sind Pfarrhäuser große Objekte mit einem weitläufigen Grundstück und häufig altem Baumbestand. Ein Beispiel ist das Pfarrhaus Otterberg mit etwa 300 Quadratmetern Wohnfläche und 1600 Quadratmetern Grundstück. Das mache die Nutzung sehr kostenintensiv, etwa was Heizkosten oder die vorgegebene Instandhaltungsrücklage betrifft, erklärt Dieterich. Dazu kommt, das eine notwendige energetische Sanierung bei den in der Regel historischen Gebäuden häufig an komplizierte Denkmalschutzauflagen geknüpft ist. Umgekehrt seien die häufig für eine Familie mit vier bis fünf Kindern ausgelegten Pfarrhäuser gar nicht mehr nachgefragt.

So war in Kusel Pfarrerin Isabell Aulenbacher, Nachfolgerin des in den Ruhestand getretenen Pfarrers Michael Hoffer, das Pfarrhaus in der Luitpoldstraße für sich und ihre Tochter schlichtweg zu groß. Angesichts von 314 000 Euro Schulden der Kirchengemeinde und geschätzten Renovierungskosten zwischen 70 000 und 100 000 Euro für das Pfarrhaus stimmte das Presbyterium einstimmig für den Verkauf. Glücklich erwies sich für die Gemeinde, dass sie ein weiteres Pfarrhaus in der Luitpoldstraße besitzt, in das Aulenbacher einziehen konnte. Dort ist im Erdgeschoss nun das Gemeindebüro untergebracht.

Lief der Verkauf in seinen ersten Dienstjahren von 2005 an noch schleppend, seien die Pfarrhäuser – mit einem Preisgefälle von der Vorder- zur Westpfalz – wie Immobilien generell mittlerweile schnell verkauft, sagt Dieterich. Natürlich gebe es Ausnahmen, etwa im Fall St. Julian. Hier hatten die Presbyterien beschlossen, sich vom Pfarrhaus zu trennen, weil die Pfarrstelle dort in den nächsten Jahren im Zuge der Strukturveränderungen wohl aufgelöst werden wird, sagt Pfarrerin Bettina Lukascz. Sie ist mit drei Vierteln ihres Dienstauftrags zur dienstlichen Aushilfe dem Pfarramt St. Julian zugeteilt, ein Viertel leistet sie für die Erwachsenenbildung im Dekanat Kusel. Residenzpflicht hat sie deshalb nicht. „Der Verkauf ließ sich aber nicht realisieren“, sagt Lukascz. Hauptgrund sei die Größe des Hauses mit 13 Zimmern gewesen. „Außerdem bildet das Pfarrhaus mit Kirche und Gemeindehaus rund um den Kirchhof eine Einheit, die Zufahrt wird gemeinsam genutzt“, sagt Dieterich.

Soll der Pfarrer wiederum vor Ort wohnen, das Pfarrhaus ist aber im Unterhalt zu teuer, müssen sich die Gemeinden etwas einfallen lassen. In Otterberg etwa versucht das Presbyterium nach dem Verkauf des alten Pfarrhauses momentan ein anderes, möglichst kleineres und somit im Unterhalt günsti­geres Pfarrhaus zu erwerben. „Ich wohne in einer Mietwohnung in Otterberg; das Gemeindebüro wurde übergangsweise in das Gemeindehaus verlegt“, sagt Pfarrer Harry Albrecht. Dies sei aber eine provisorische Lösung. Denn das Presbyterium ist von der Bedeutung eines Pfarrhauses für die Mitglieder der Gemeinde überzeugt. Dessen Lage immer eine entscheidende Bedeutung hat, schließlich gelten Pfarrhäuser als Treffpunkte, sagt Dieterich. In Bad Dürkheim und Odernheim etwa entstanden neue Pfarrhäuser auf der grünen Wiese abseits des Zentrums. Egal, wie sich das Presbyterium in Otterberg entscheiden wird, feststeht für Dietrich, dass noch einige Pfarrhäuser im Gebiet der Landeskirche ihren Besitzer wechseln werden. „Man kann davon ausgehen, dass noch einige Verkäufe kommen. Schließlich werden noch rund ein Dutzend weitere Gemeindepfarrstellen wegfallen. flor

Grundstück und Bauzuschüsse

Das Pfarrhaus ist in der Regel Eigentum der Kirchengemeinde, erklärt Renaldo Dieterich. Bei einem Verkauf geht der Erlös also an die Gemeinde. Allerdings muss von Fall zu Fall geprüft werden, wie es mit dem Grundstück aussieht. Handelt es sich um ein Pfründegrundstück, geht dieser Anteil des Verkaufs an die Pfründeabteilung der Landeskirche. Seit 2005 war dies bei 13 der 41 Verkäufe der Fall, informiert Dieterich. Nach dem Verkauf muss die Gemeinde außerdem Zuschüsse an Baumitteln, die sie für die Renovierung in der Vergangenheit nach Genehmigung des Bezirkskirchenrats erhalten hat, zurückerstatten – abzüglich der bisher erfolgten Abnutzung. flor

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