Heimat ist keine politische Kategorie

von Klaus Koch

Klaus Koch

Einen Minister, der sich mit den Heraus­forderungen der Digitalisierung beschäftigt, gibt es im neuen Bundeskabinett nicht. Auch eine Ministerin, die sich um die ­Probleme von Migration und Integration kümmert, fehlt am Tisch der Kanzlerin. ­Dafür gibt es einen Minister für Heimat. ­Dabei ist Heimat keine politische Kategorie. Heimat ist eher eine Mischung aus Erinnerungen und Emotionen. Der Gedanke an den ­Geruch von Dampfnudeln in Omas Küche kann Heimatgefühle wecken. Dazu braucht es aber keinen Minister.

Die Frage ist auch, ob Deutschland überhaupt Heimat sein kann. Sicher, für Deutsche, die in fernen Ländern leben und arbeiten, kann das Land ihrer Mütter und Väter in der Erinnerung zur Heimat gerinnen. Doch dazu kann ein Minister nichts beitragen. In Deutschland selbst sind eher Regionen Heimat: die Pfalz, Oberbayern, Friesland. Auch andere Sprachen als die deutsche kennen einen expliziten Heimatbegriff nicht. Und eine Legitimation für seine Arbeit wird der christsoziale Minister auch in der Bibel nicht finden. Dort ist eher vom Verlassen der Heimat (Genesis 12, 1) die Rede. Oder von Eroberungen (Josua 1–22). Die deutlichste biblische Absage an eine irdische Heimat steht im Hebräerbrief: „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ Auch dazu braucht es keinen Minister.

Wie der neue Heimatminister seine Auf­gabe sieht, lässt seine Aschermittwochsrede aus dem Jahr 2011 erkennen. Er werde sich, so Seehofer, in der Berliner Koalition bis zur letzten Patrone dagegen wehren, dass „wir eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme bekommen“. Doch wer möchte in einem Land leben, in dem solche politischen Entgleisungen Heimatgefühle wecken?

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