Nächstenliebe und Staatsangehörigkeit

von Florian Riesterer

Florian Riesterer

1,5 Millionen Menschen beziehen im angeblich so reichen Deutschland bei knapp 950 Tafel-Initiativen Lebensmittel. Erst am Mittwoch vergangener Woche öffnete in Herxheim bei Landau die jüngste Tafel ihre Türen, 140 Anmeldungen gibt es bereits. Die Tafeln machen die Armut im Land sichtbar, erinnern den Staat tagtäglich daran, dass er seinen Aufgaben nicht gerecht wird. Kritiker sagen, der Staat lehne sich zurück, gerade weil es die Initiativen gibt. Aber diese Diskussion ändert nichts daran, dass die Kluft zwischen denen wächst, die genügend haben zum Leben – und jenen, die rechnen müssen, ob das Geld für die Klassenfahrt der Tochter reicht. Soziale Verarmung ist die Folge.

Doch nicht nur zwischen Reich und Arm wachsen Gräben. Die Reaktion der Essener Tafel-Initiative, nur noch Deutsche als Neukunden zuzulassen, löste zu Recht einen Sturm der Entrüstung aus. Die Staatsangehörigkeit darf nicht darüber entscheiden, wem christliche Nächstenliebe zuteil wird. Bedürftige gegeneinander auszuspielen schürt Hass, Neid und Missgunst.

Statt Gruppen pauschal zu verurteilen, wäre es besser, einzelnen Personen Hausverbot zu erteilen, die sich danebenbenehmen. Aber aus der Ferne kritisiert es sich leicht. Deswegen sind Ehrenamtliche zu verstehen, die frustriert sind ob einer Situation, für die sie nichts können. Auch ohne Drängeleien, wie aus Essen berichtet, gibt es Deutsche, die nicht mehr zur Tafel kommen, weil sie sich fremd fühlen. Das ist auch im Gebiet der Landeskirche zu hören. Blaupausen für ein gelingendes Zusammenleben von Deutschen und Migranten gibt es nicht. Leichter wird dies nicht dadurch, dass das Geld am Monatsende knapp ist. Die Politik ist gefordert, will sie nicht Extremisten den Weg bereiten.

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