Pure Bequemlichkeit verhindert Organspende

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Beim Spenden lassen sich die Deutschen nichts vormachen. Sie geben gern und viel, regelmäßig über fünf Milliarden Euro pro Jahr. Zuletzt waren es 67 Euro pro Person und Jahr. Geld spenden ist ja auch relativ einfach – das soll die große Bereitschaft zum Geben nicht kleinreden. Blut spenden ist schon etwas schwieriger, weshalb auch nur drei Prozent der Bevölkerung es regelmäßig tun. Ganz düster sieht es jedoch mit der Organspende aus – denn diese setzt mit wenigen Ausnahmen (zum Beispiel eine von zwei Nieren, Teile der Leber) den Tod des Spenders voraus. Die Zahlen sind stark rückläufig. Im Gegensatz zur Geldspende rangiert Deutschland bei der Organspende ganz hinten.

Hauptgrund ist eine gesetzliche Regelung, nach der nur zum Organspender wird, wer sich zu Lebzeiten ausdrücklich dazu bereit erklärt und dies mit zum Beispiel einem Organspenderausweis dokumentiert. Liegt keine solche Willenserklärung vor, ist eine Organentnahme nicht möglich. Überwiegend werden Organe von Unfalltoten entnommen. Beim Tod durch Krankheit unterbleibt das zumeist. Eigentlich könnte jeder einen Organspenderausweis mit sich führen. Diffuse Ängste lassen viele Menschen jedoch davor zurückschrecken.

Niemand muss jedoch befürchten, dass bei ihm lebenserhaltende Maßnahmen vorzeitig eingestellt werden, nur weil ein vermeintlich transplantationswütiger Arzt auf seine Organe lauert. Die Operationsteams sind niemals dieselben. Kein Chirurg entscheidet selbst, wer die Organe des Patienten erhält, der ihm gerade unter dem Messer gestorben ist. Der Sorge, auf dem OP-Tisch plötzlich nicht mehr als Mensch zu gelten, sondern als potenzielles Ersatzteillager, ist jedoch mit rationalen Argumenten nur schwer zu begegnen.

Andere Länder stecken den Rahmen weiter – mit der Widerspruchslösung. Eine Organentnahme ist dort grundsätzlich möglich, sofern der potenzielle Spender dem nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen hat oder nach seinem Tod die Angehörigen ihr Veto einlegen. In Deutschland reicht es hingegen aus, nichts zu tun. Nicht nachdenken, keine Erklärung unterschreiben – nichts. Dadurch fällt auch für eine Organspende aus, wer aus purer Bequemlichkeit die Auseinandersetzung mit dem Thema scheut.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im Grundgesetz. Das gilt auch für seinen Leichnam. Dessen Unversehrtheit ist für die meisten Religionen ehernes Gesetz. Mit der Feuerbestattung haben sich die Kirchen daher lange schwergetan. Aus christlicher Sicht ist jedoch die Entscheidung für die Organspende ein Ergebnis von Nächstenliebe. Eine Pflicht, für Organspenden zur Verfügung zu stehen, lässt sich daraus aber nicht ableiten. Vielleicht würde es die Bereitschaft erhöhen, wenn potenzielle Spender im eigenen Bedarfsfall bevorzugt würden. Wer keine Organe spenden will, soll sich zumindest hinten anstellen.

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