Erdogan spielt mit Pawlows Hündchen

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

Eigentlich dürften diese Zeilen nicht geschrieben werden. Schließlich wollen wir den jüngsten Bubenstreich des türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdogan nicht auch noch überhöhen. Aber eins muss man ihm lassen. In seinem Riesenpalast aus Tausendundeiner Nacht kommt er auf die tolls­ten Ideen: Reisewarnung für Deutschland. Genial. Und deutsche Politiker reagieren inzwischen wie Pawlow’sche Hündchen nach der Konditionierung: Erdogan klingelt – und der Speichel läuft, obwohl es nichts zu futtern gibt. Pawlow hat den Nobelpreis erhalten, Erdogan hat seinen Spaß.

Die deutsche Politik sollte sich im Umgang mit Erdogan endlich an der Lerntheorie orientieren und den Reiz aus der Situation entfernen, den Provokateur nicht auch noch bestärken. Die Kanzlerin ist eigentlich eine Meisterin dieses Fachs. Ausgerechnet sie ließ sich im TV-Duell überraschend überrumpeln, als ihr Herausforderer für den Abbruch der Beitrittsverhandlungen plädierte. Zaghafte Zustimmung, und schon ist Deutschland (mit Österreich) in dieser Frage EU-weit isoliert. Wahlkampf konditioniert Politiker am besten: ein schönes Geschenk für Erdogan.

Daher an alle: Lasst euch nicht durch Europa treiben und steigt aus diesem dummen Spielchen aus. Hilfreich könnten Redensarten sein. Etwa: Was kümmert’s den Mond oder was kümmert’s den Baum … Sinnvoller wäre aber die Einsicht, dass es in der Türkei starke demokratische Kräfte gibt, die mit dem Kurs des Autokraten ebenfalls nicht einverstanden sind. Gerade die deutsche Politik sollte dieser bestens bekannten Propaganda nicht auf den Leim gehen. Ihr leicht durchschaubares Alibi ist ein ominöser Putschversuch. Also: Keine Zeile mehr über Erdogan – bis zum nächsten Klingeln.

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