Der Kinderarmut mit Bildung begegnen

von Renate Haller

Renate Haller

Die Steuereinnahmen des Bundes sind in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Die Beschäftigungszahl ist mit 44,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und -nehmern so hoch wie nie seit der Wiedervereinigung. Steigend ist aber leider auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die an der Armutsgrenze leben. Nach aktuellen Berechnungen waren es 2016 rund 20 Prozent, das sind 2,7 Millionen Jungen und Mädchen unter 18 Jahren. An der Armutsgrenze, das bedeutet, dass sie 60 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens oder weniger zur Verfügung haben. Für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren sind das rund 2100 Euro. Verhungern wird die Familie damit nicht, das aber ist für die Kinder kein Trost.

Arm, das heißt, kein Geld für die Feier des Kindergeburtstags. Es heißt auch, kein Geld für Nachhilfe oder ­angesagte Spielsachen, für das Eis an heißen Tagen, für Musikunterricht oder dafür, mal Freunde zum Essen mit nach Hause zu bringen. Vielfach bekommen diese Kinder kein gesundes Pausenbrot mit in die Schule, weil dafür das Geld nicht reicht. Statistiken zeigen, dass arme Kinder schlechtere Wohnbedingungen haben, dass sie häufiger krank sind und oftmals Defizite in ihrer sprachlichen Entwicklung aufweisen. Ihre Chancen auf einen guten Bildungsabschluss sind niedriger als die von wohlhabenden Kindern.

Was also ist zu tun, damit Kinder rauskommen aus dem Teufelskreis von Armut in ihrer Herkunftsfamilie und späterer Armut als Erwachsene? Bildung ist das Schlüsselwort. Schon im Kindergarten müssen Entwicklungsdefizite ausgeglichen und die Kinder gut auf die Schule vorbereitet werden. Doch die Qualität der Betreuung ist nicht alles, auch die Quantität muss stimmen. Kinder brauchen Ganztagskindergärten, und sie müssen auch in der Grundschule nachmittags betreut sein. Wie sonst sollen etwa Alleinerziehende für das Familieneinkommen sorgen können?

Elternvertreter und Sozialverbände unterstützen deshalb zu Recht die aktuelle Debatte um einen gesetzlichen Anspruch auf Ganztagsschulen. Der Städte- und Gemeindebund hat bereits seine Skepsis kundgetan: weder Geld noch Personal sei ausreichend vorhanden. Wenn das so ist, dann muss man das ändern. Wenn es um die Versorgung der Kinder geht, ist auch der Bund gefordert. „Kinder sind die Zukunft einer Gesellschaft“, heißt es allenthalben. Es kann nicht sein, dass damit nur Kinder aus gut situierten Familien gemeint sind.

Skandalös ist auch der Hartz-IV-Satz. Der wurde zwar zum Jahresbeginn angehoben, aber die Struktur ist geblieben. Erwachsene bekommen nun 409 Euro, Kinder bis sechs Jahre 237. Was soll diese Staffelung? Wann wachsen Kinder am schnellsten und brauchen ständig neue Kleidung? Wann ist gesunde Ernährung besonders wichtig? Kinder brauchen nicht weniger als Erwachsene, Kinder ­brauchen mindestens genauso viel.

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