Der Journalismus hat Vertrauen verloren

von Klaus Koch

Klaus Koch

Die Journalisten sind verunsichert. Die Vertreter der sogenannten vierten Gewalt wissen nicht, wo es in Zukunft hingeht mit ihnen und ihrer Zunft. Die Wege, wie Bürger an ihre Informationen kommen, haben sich grundlegend geändert und ändern sich weiter. Der Absatz gedruckter Zeitungen ist rückläufig. Vor allem junge Menschen schauen kaum noch öffentlich-rechtliches Fernsehen. Und wenn, dann eher nicht Tagesschau und Tagesthemen.

Das Internet ist dabei, den seriösen Medien den Rang abzulaufen. Doch den Überblick in diesem unentwirrbaren Knäuel aus Nachricht, Meinung, Gerücht, bewusster und unbewusster Falschmeldung kann keiner behalten. Und einen Königsweg, wie seriöser Journalismus wirtschaftlich tragfähig ins Netz eingewebt werden kann, hat noch keiner gefunden.

Verschärft wurde die Krise des Journalismus durch die Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016. Eine Studie der Hamburger Media School und der Universität Leipzig ist nach der Analyse tausender Artikel überregionaler und regionaler Zeitungen zu dem Ergebnis gekommen, der Journalismus sei seiner Aufgabe in dieser Flüchtlingskrise nicht gerecht geworden. Die von der gewerkschaftsnahen Otto Brenner Stiftung geförderte Untersuchung besagt, die Medien hätten vor allem die von der Politik gewünschte Sicht der Dinge transportiert. Es sei viel von Willkommenskultur und „Wir-schaffen-das“-Mentalität geschrieben worden; vor allem die Bedeutung der Flüchtlinge für die wirtschaftliche Zukunft habe im Mittelpunkt gestanden. Kritiker der Flüchtlingspolitik seien kaum zu Wort gekommen oder in die rechte Ecke gestellt worden.

An diesem Befund ist etwas dran. Für viele Journalisten war es angenehmer darüber zu berichten, wie Flüchtlinge einem NPD-Politiker nach einem Unfall Erste Hilfe leisten, als darüber, wie sie im Supermarkt klauen oder Frauen belästigen. Genau diese, in den meisten Fällen gut gemeinte, Einseitigkeit hat zum Bruch zwischen den Medien und einem Teil des Publikums beigetragen. Viele Menschen haben in den Berichten ihre Lebenswirklichkeit nicht wiedererkannt.

Nun hat der Journalismus das alt­bekannte Problem, dass Vertrauen schneller verspielt als aufgebaut wird. In vielen Medienhäusern hat ein selbstkritischer Diskurs längst begonnen. Das Ergebnis dieser Überlegungen muss glaubwürdig vermittelt werden. Doch noch ist die Frage offen, wie Menschen erreicht werden, die weder Zeitung lesen noch die Informationssendungen im Fernsehen anschauen. Bisher galt der Grundsatz, eine Demokratie ohne freie Presse sei nicht überlebensfähig. Doch eine Demokratie überlebt es auch nicht, wenn die Menschen dieser freien Presse nicht mehr trauen, sondern sie als Teil eines entrückten Establishments betrachten, dem ihre Lebenswirklichkeit und ihre Interessen egal sind.

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