Nicht nur Trump lügt in der Politik

von Martin Schuck

Martin Schuck

Seit Donald Trump das Amt des amerikanischen Präsidenten übernommen hat, ist die Welt mit einem neuen Phänomen konfrontiert: Der mächtigste Politiker der westlichen Welt pflegt ein rein strategisches Verhältnis zur Wahrheit. Er lässt sich beim Lügen erwischen, legt sich Fakten, wie er sie braucht, zurecht und streitet wissenschaftlich gut dokumentierte Erkenntnisse ab, wenn sie schädlich fürs Geschäft sind. Seine Sprecherin Kellyanne Conway hat dafür den Ausdruck „alternative Fakten“ geschaffen.

Wer nun allerdings meint, Trump sei der erste amerikanische Präsident, der im Amt bewusst die Unwahrheit sagt, täuscht sich. Auch Dwight D. Eisenhower, Richard Nixon und Bill Clinton wurden beim Lügen ertappt. Und George W. Bushs Begründung für den Irakkrieg stellte sich im Nachhinein ebenfalls als Lüge heraus. Aber es gibt doch einen Unterschied, ob in einer bestimmten politischen oder persönlichen Situation einmalig die Unwahrheit gesagt wird, oder ob die Lüge zum wichtigsten politischen ­Instrument einer Regierung wird.

Für Hannah Arendt (1906 bis 1975), eine aufrechte Philosophin, die sich früh um die Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus verdient gemacht hat, gehörte die Lüge zur Politik. Für sie ist die Lüge Teil der menschlichen Freiheit und hat deshalb ihren Platz auch im Willen zum politischen Handeln. Wer kennt nicht den Winston Churchill zugeschriebenen Satz, dass niemals so viel gelogen werde wie vor Wahlen, während des Kriegs und nach der Jagd. Eine aufgeklärte Öffentlichkeit sollte sich deshalb nie auf die Ehrlichkeit der Politiker verlassen, sondern auf demokratische Teilhabe drängen. Das ist das beste Mittel, um politisch motivierte Lügen unwirksam zu machen.

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