Frauen müssen wieder für ihre Rechte streiten

von Stefanie Bock

Stefanie Bock

Ein schwarzer Mann ist US-Präsident, seine Nachfolge tritt eine Frau an. Nicht nur dort, überall an den Schaltzentralen der Macht sitzen Frauen Seite an Seite mit Männern. Der Traum ist vorbei. Statt Hillary Clinton sitzt mit Donald Trump ein frauenfeindlicher Rechtspopulist im Oval ­Office. Trumps Wahlsieg war ein Schock. Vor allem, weil der mit ihm verbundene Rückfall in eine Zeit des Sexismus und Rassismus als längst überwunden galt. Frauen hatten sich gemütlich in den Chefsesseln zurückgelehnt, die Bilder ihrer Errungenschaften an der Wand stolz betrachtet: die Frauenquote, das Recht auf Abtreibung, die Homo-Ehe, die Gleichstellung der Geschlechter – die Bilderreihe ist lang.

Aber der Wind hat sich gedreht. Jetzt zeigt sich, wie instabil der Sieg doch war. Werte, die fest verankert schienen, werden infrage gestellt, der Fortschritt ist vom Winde verweht. Heute ist das politisch Unkorrekte salonfähig. Mit Frauen, die anders sind als erwartet, die unbequeme Dinge sagen, wird nicht sachlich diskutiert, sie werden beleidigt und beschimpft. Die Theologin und Feministin Antje Schrupp kann ein Lied davon singen. Kommentare auf ihre Internetbeiträge wie „Bei dir ergibt Sterbehilfe endlich einen Sinn“ oder „… ginge es nach mir, solltet ihr alle an die Wand gestellt werden“ sind für sie Alltag. In den USA ist der Begriff „Feminazi“ in die Umgangssprache eingegangen. Diese Zusammensetzung von Feminismus und Nazi hat nur ein Ziel: jegliche Diskussion zu verhindern.

Mit der Alternative für Deutschland (AfD) hat sich auch in Deutschland eine Partei gebildet, die für ein Frauenbild aus dem vorigen Jahrhundert eintritt. Und all die Parolen der Rechtspopulisten von „einer natürlichen Geschlechterordnung“ und der „normalen deutschen Familie“ strahlen mitten hinein in die Gesellschaft und treffen dort auf Zustimmung. Wir Frauen haben geglaubt, Gesetze zementieren die Gleichstellung aller Menschen. Doch Gesetze lassen sich ändern, wenn die Macht in andere Hände übergeht. Neuerungen haben nur dauerhaft Bestand, wenn sie von der Mehrheit mitgetragen werden. Mit den Menschen außerhalb von Fachzirkeln zu reden, zu erklären, warum der Feminismus nichts Bedrohliches ist, sondern es für alle Vorteile bringt, wenn die Gesellschaft gerechter gestaltet ist – das wurde verpasst.

Die AfD zu ignorieren und ihre frauenfeindlichen Vorhaben als Aussprüche durchgeknallter Irrer abzustempeln, ist keine Option. Wir müssen wieder mehr streiten. Im kommenden Jahr wird in Deutschland die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren gefeiert. Das ist eine Chance. Lasst uns dieses Datum nicht nur als ein Jubiläum für Frauenrechte feiern, sondern als eine gesellschaftliche ­Errungenschaft!

Die Autorin ist Redakteurin der in Frankfurt am Main erscheinenden „Evangelischen Sonntagszeitung“.

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare