Starke Zeichen für erneuerte Ökumene

von Martin Schuck

Martin Schuck

Es sind neue Töne, die zuletzt aus Rom zu hören waren. Bei seinem Bericht über die Privataudienz bei Papst Franziskus erklärt Kirchenpräsident Christian Schad, dass der Papst den Begriff „versöhnte Verschiedenheit“ gebraucht habe, als über die Ökumene gesprochen wurde. Das löst Rückfragen aus, denn die „versöhnte Verschiedenheit“ ist nichts anderes als die offizielle Zielvorstellung der innerevangelischen Ökumene und orientiert sich an einem Einheitsmodell, nach dem lutherische, reformierte und unierte Kirchen einander Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft erklären.

Fast alle evangelischen Kirchen in Europa sind in der 2003 aus der vorherigen Leuenberger Kirchengemeinschaft hervorgegangenen „Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa“ (Geke) zusammengeschlossen. Bedingung für die Mitgliedschaft ist die Unterzeichnung der 1973 verabschiedeten Leuenberger Konkordie, in der die Lehrunterschiede zwischen den getrennten Kirchen der Reformation als nicht mehr entscheidend für die Gewährung von Kirchengemeinschaft eingestuft werden; entscheidend, so die Konkordie, ist ein gemeinsames Verständnis des Evangeliums, das weder einen Ausschluss vom Abendmahl rechtfertigt noch die Kanzelgemeinschaft verhindert. Aus dieser Perspektive ist zur sichtbaren Einheit der Kirche nichts weiter notwendig als die Gewährung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Kirchen, die dieses Ökumeneverständnis mittragen, können in versöhnter Verschiedenheit ihre eigenen konfessionellen Gottesdienste feiern und befinden sich dennoch in vollständiger Gemeinschaft mit den anderen Kirchen.

Vergleicht man diese ökumenische Zielvorstellung der Geke mit der katholischen Vorstellung der sichtbaren Einheit, die nur in einer institutionell geeinten Kirche unter dem Papst vollständig verwirklicht ist, wird die Bedeutung der päpstlichen Rede von der „versöhnten Verschiedenheit“ deutlich. Bisher klar markierte Grenzen scheinen plötzlich durchlässig zu werden, was zu neuen ökumenischen Spielräumen führen könnte. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die liturgische Haltung des Papstes. Symbolträchtig war sein Auftritt beim ökumenischen Gottesdienst in Lund am Reformationstag 2016. Der Präsident und der Generalsekretär des Lutherischen Weltbunds, die schwedische lutherische Erzbischöfin, der katholische Ortsbischof und der Papst trugen alle das gleiche liturgische Gewand: eine Albe mit roter Stola.

Jenseits seines dogmatischen Selbstverständnisses stellt sich der Papst für alle sichtbar in die Reihe der anderen Geistlichen; dieser Eindruck entstand auch schon bei seinen Besuchen der Waldensergemeinde in Rom und der dortigen deutschen lutherischen Gemeinde. Vielleicht sind es diese starken Zeichen, die in der Ökumene noch etwas bewirken können – wo doch die theologischen Spielräume weitgehend ausgereizt sind.

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