Garnisonkirche taugt nicht als Erinnerungsort

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Was hat er nicht gerackert für den Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche. Der Trompeter Ludwig Güttler hat sich dafür eingesetzt wie kaum ein Zweiter, auch gegen viele Widerstände. Die Kritiker des Projekts sind längst verstummt, die Dresdener Innenstadt ist heute ohne den monumentalen Barockbau mehr als 70 Jahre nach dessen Zerstörung im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs kaum mehr vorstellbar. Inzwischen sorgt ein ähnliches Vorhaben für größere Debatten: die Potsdamer Garnisonkirche. Deren Wiederaufbau unterscheidet sich gewaltig von der Dresdener Erfolgsgeschichte.

Die Kritik am Wiederaufbau der Frauenkirche betraf vor allem ästhetische Aspekte. Zwar gab es auch Bedenken, mit dem Neubau gehe ein Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung verloren, als das die Ruine in der DDR gedient hatte. Tatsächlich war sie jedoch nichts als ein Trümmerberg, ohne jegliche Gestaltung. Einer der Haupteinwände war, dass es sich nur um eine Replik handele, die wegen zahlreicher Neuerungen wie Aufzug oder Klimatechnik mit dem Original kaum mehr als die äußere Hülle gemein habe. Zudem erschienen die Kosten von 180 Millionen Euro als unangemessen hoch. Auch wenn zwei Drittel durch private Spenden aus aller Welt zusammenkamen: Hätte man mit so viel Geld nicht Sinnvolleres tun können? Wohl kaum. Für die einstige Weltkulturerbestadt Dresden, die sich mit vergleichsweise bescheidenen 20 Millionen Euro am Wiederaufbau beteiligte, hätte es keine bessere Investition geben können. Die Stadt ist um einen kulturellen Mittelpunkt und eine Touristenattraktion reicher geworden.

Das ist bei der Garnisonkirche in Potsdam kaum zu erwarten. Anderes als die Frauenkirche, die vom Rat der Stadt, also vom aufstrebenden Bürgertum in Auftrag gegeben worden war, diente die Garnisonkirche in erster Linie dem Militär und dem preußischen Hofstaat. Auftraggeber war der König. Erst in zweiter Linie wurde sie von der „Zivilgemeinde“ genutzt, wie es in einschlägigen Darstellungen heißt – ein verräterischer Begriff. Die Garnisonkirche war Stein gewordenes Symbol für die Symbiose von Kirche und Staat im alten Preußen. Sie stand auch für die unselige Tradition der Feldgeistlichen, die göttlichen Beistand beim Niederringen des Feinds erflehten. Schon der Hurra-Patriotismus der evangelischen Kirche im Ersten Weltkrieg gilt bis heute als ihr Sündenfall, nicht erst das Versagen in der Zeit des Nationalsozialismus.

Und schließlich Adolf Hitler. Der inszenierte sich, nachdem ein – von den Nationalsozialisten womöglich gelegtes, ihnen auf jeden Fall willkommenes – Feuer den Reichstag vernichtet hatte, bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments in der Garnisonkirche. Seinen Handschlag mit Reichspräsident Paul von Hindenburg wurde zum „Tag von Potsdam“ hochstilisiert. Gut, dass es dafür keinen Ort der Erinnerung mehr gibt.

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