Die Bischöfe und ihr Selbstbewusstsein

von Martin Schuck

Martin Schuck

So viel Bewegung gab es im deutschen Katholizismus schon lange nicht mehr. Auf der jüngsten Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz präsentierte sich deren Vorsitzender, der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, als Vertreter eines selbstbewussten Bischofskollegiums, das sich in wichtigen pastoralen Fragen nicht mehr von Rom die Richtung vorschreiben lassen will. So wollen die Bischöfe bei der Frage nach der Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Eucharistie eigene Wege einschlagen.

Das Thema ist im deutschen Katholizismus ein Dauerbrenner. Zwar gilt die Ehe nach katholischem Verständnis als unauflöslich, aber immer wieder suchten Bischöfe, die ihre Verantwortung für den Zusammenhang von kirchlicher Lehre und christlichem Leben ernst nehmen, nach Möglichkeiten, Menschen, die nach einer Scheidung wieder geheiratet haben, zur Abendmahlsgemeinschaft zuzulassen. Zuletzt mahnte 2011 der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch Barmherzigkeit im Umgang der katholischen Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen an. Sein Kölner Kollege Kardinal Joachim Meißner konterte damals, die Ehe sei als reale Repräsentanz für die unaufkündbare Hingabe Christi an die Kirche unauflöslich.

Nun fand im vergangenen Oktober in Rom eine außerordentliche Bischofssynode zum Thema Familie statt, und im Oktober wird diese Synode zum gleichen Thema ihre Fortsetzung finden. Die bisherige Erfahrung der deutschen Bischöfe auf der Synode zeigt, dass sich neben Papst Franziskus auch 90 Prozent ihrer Bischofskollegen aus anderen Teilen der Weltkirche wenig für eben diese Frage interessieren, die die Mitteleuropäer und Nordamerikaner so sehr beschäftigt. Wohl aus dieser Erfahrung heraus kündigte Marx an, die deutschen Bischöfe wollten nach der Synode in Rom ein eigenes Hirtenwort zu Ehe und Familie veröffentlichen. Es sei nicht Aufgabe der Bischöfe, auf Erlaubnis zu warten. Marx wörtlich: „Wir sind keine Filialen von Rom.“

Dieses neue Selbstbewusstsein weckt Erinnerungen an die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Vatikanischen ­Konzil (1962 bis 1965), als die nationalen Bischofskonferenzen eigene Richtlinien beschließen konnten für den pastoralen Umgang mit den Konzilsbeschlüssen. Vor allem die aus seelsorgerlichen Erwägungen beschlossenen Ausnahmeregelungen zur Zulassung zur Eucharistie wurden aber durch Lehrschreiben der nachfolgenden Päpste unwirksam gemacht. Die katholischen Bischöfe scheinen verstanden zu haben, dass sie die Realitäten der Menschen hierzulande ernst nehmen müssen. Auch der südamerikanische Papst wird sich nicht auf Dauer den Problemen des Katholizismus in aufgeklärten, säkularen Gesellschaften verschließen können. Das Image des bescheidenen Priesters kann kein Freibrief sein, notwendige Öffnungen in der Lehre zu blockieren.

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