Wie eine Klobürste im ausgedienten Abendmahlskelch

Streit wegen des Bibelkunstprojekts „Vielfalten“ anlässlich des Unionsjubiläums – Kritikern mangelnde Bereitschaft zum Diskurs vorgeworfen

In Kaiserslautern unerwünscht: Mechthild Werner (links) und Silvia Mielke mit einem Bibelband auf einer Kabeltrommel. Foto: Iversen

Wieder einmal Streit um die Kunst. Ein Projekt der Landeskirche zum 200. Jahrestag der Kirchenunion stößt im Kirchenbezirk Kaiserslautern, wo das Jubiläum im September gefeiert wird, auf Widerstand. Bei der Kunstaktion werde unangemessen mit der Bibel umgegangen, lautet der Vorwurf aus der Unionsstadt Kaiserslautern. Antwort aus dem Landeskirchenrat: Den Kritikern fehlt es an Mut und Kunstverstand.

Gestartet hat die Unionsbeauftragte der Landeskirche, Pfarrerin Mechthild Werner, das Bibelkunstprojekt „Vielfalten“ im Herbst vergangenen Jahres. Werners Anliegen dabei ist ein kreativer Umgang mit alten Bibeln. Da für die Kirchengemeinden 2017 die neuen, revidierten Lutherbibeln angeschafft wurden, lägen die alten aus dem Jahr 1984 nun unbeachtet herum oder würden ins Altpapier geworfen. Da sei es besser, Kunst daraus zu machen.

Unter Anleitung der Papierkünstlerin Silvia Mielke aus Jockgrim sollen Einzelpersonen oder Gruppen Blätter aus den alten Bibeln herausreißen und falten. Die Blätter werden dann zu einem Band zusammengefügt und auf Kabelrollen aufgerollt. So entstehe ein gemeinsames Band der Gemeinden, das am Festwochenende in Kaiserslautern abgerollt werden sollte, sagt Werner.

Die Bänder sollten den historischen Unionszug in Kaiserslautern von der Stadtkirche in die Stiftskirche lebendig werden lassen. Vor 200 Jahren zogen Lutheraner und Reformierte auf diesem Weg zum ersten gemeinsamen Abendmahl. Die Heilige Schrift wurde damals als einzige Glaubensgrundlage der nun unierten Kirche festgelegt. Was liege da näher, als dies mit einem Bibelkunstprojekt nachzuvollziehen, sagt Werner.

Nein, das wollen wir nicht, entschied hingegen die Bezirkssynode Kaiserslautern. „Wir halten das für einen völlig unangemessenen Umgang mit der Bibel“, sagt der Vorsitzende der Bezirkssynode, Hermann Lorenz, der auch Präsident der Landessynode ist. Der Beschluss sei ohne Diskussion, aber nahezu einstimmig gefallen.

Den Kirchenmitgliedern sei eine solche Aktion nicht vermittelbar, sagt Lorenz. Ein Gemeindemitglied habe ihm gesagt, das sei, als ob man einen ausgedienten Abendmahlskelch als Klobürstenhalter verwende. Er finde diesen Vergleich sehr passend und freue sich, dass der Landeskirchenrat das Projekt gestoppt habe.

Neben Mutlosigkeit und mangelndem Kunstverstand wirft Werner den Kritikern vor allem vor, dass sie den Diskurs verweigerten. Das Projekt sei eine tolle Gelegenheit über die Bibel zu diskutieren. Was an ihr ist heilig? Die einzelnen Seiten und der Einband oder doch der Inhalt? Diese Fragen seien spannend. Ein Kollege habe ihr gesagt, mit ihrer Weigerung betreibe die Kaiserslauterer Bezirkssynode so etwas wie die „Koranisierung“ der Bibel. Viele Muslime wickeln einen unbrauchbar gewordenen Koran wie einen Toten in ein Tuch und bestatten ihn.

Der Landeskirchenrat habe das Bibelkunstprojekt nicht gestoppt, sagt Pressesprecher Wolfgang Schumacher. Es bleibe ein Projekt des Projektbüros für das Unionsjubiläum, dem auch er angehöre. Nun werde dafür ein Ort außerhalb Kaiserslauterns gesucht. Der Landeskirchenrat einschließlich Kirchenpräsident Christian Schad stehe einmütig hinter der Aktion.

Nach Ansicht des Landeskirchenrats habe „Vielfalten“ zum Ziel, etwas Neues zu schaffen und nicht, Altes zu zerstören, sagt Schumacher. Das Projekt richte sich an alle, für die der biblische Inhalt Leben schaffendes Wort sei und wie ein Band von Generation zu Generation weitergegeben werden solle. Biblische Inhalte dienten nicht zur musealen Bewahrung, sondern zur Auseinandersetzung in und mit der Zeit.

Für sich hat Schumacher, der aus Kaiserslautern stammt und dort wohnt, Konsequenzen gezogen. „Auf absehbare Zeit predige ich in dem Bezirk nicht mehr.“ Jede Predigt beruhe darauf, dass Teile der Bibel herausgenommen, bearbeitet und zu etwas Neuem zusammengefügt werden. Einen solchen Umgang mit der Heiligen Schrift lehne die Bezirkssynode Kaiserslautern offenbar ab. Deshalb könne er dort keine Gottesdienste mehr halten. Klaus Koch

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