Wenig Religionsunterricht an Förderschulen im Land

Wegen organisatorischen Schwierigkeiten wird das Fach häufig gestrichen – Brigitte Beil von der Landeskirche fordert tragfähiges Konzept

Unterrichtsfach mit Schattendasein: Religionsunterricht fällt an Förderschulen häufig als Erstes aus. Foto: epd

Brigitte Beil.

„Ich würde gerne Religion unterrichten, aber mein Schulleiter sagt, dass es dieses Fach an unserer Schule nicht gibt!“ Diese Klage, die zuletzt eine junge Förderschullehrerin vortrug, kennt Brigitte Beil nur allzu gut. Sie ist Fachberaterin der Landeskirche für evangelischen Religionsunterricht an Förderschulen und für Fragen der schulischen Inklusion.

Zwar haben grundsätzlich alle Schüler ein Recht auf Religion und religiöse Bildung. Und der konfessionelle Religionsunterricht gehört in Rheinland-Pfalz und im Saarland sowie in vielen anderen Bundesländern als ordentliches Unterrichtsfach zum Fächerkanon – neben „Ethik“ als Alternative. Trotzdem findet an vielen Förderschulen im Land überhaupt kein konfessioneller Religionsunterricht statt, erfährt Beil aus Gesprächen mit Lehrern. Ursache sind unter anderem die kleinen multikonfessionellen Lerngruppen, die ei­nen konfessionellen Religionsunterricht schulorganisatorisch erheblich erschweren. „Statt nach tragfähigen Alternativen zu suchen, ist es gängige Praxis, den Religionsunterricht einfach zu streichen oder in die Beliebigkeit einzelner Kolleginnen und Kollegen zu stellen“, sagt Beil. Zusammen mit Fachberatern anderer Landeskirchen attestierte sie ihm ein „Rand- und Schattendasein“.

Dabei würde das Fach gerade dort so viel bewirken, hat die Fachberaterin durch ihren Unterricht an einer Schule mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung gemerkt: „Schüler mit besonderem Förderbedarf brauchen oft Unterstützung beim Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls.“ Ausgehend vom christlichen Menschenbild erlebten sie, dass jeder Mensch unabhängig von seiner Leistung als Geschöpf Gottes wertvoll und geliebt ist. Ein solcher Unterricht würde sowohl die Identitätsentwicklung einzelner Schüler als auch die Klassengemeinschaft positiv beeinflussen, melden Kollegen Beil zurück.

Sie glaubt, dass es möglich ist, in kleinen Förderschulklassen einen Religionsunterricht im Klassenverband durchzuführen. Je nach Lehrer könnte das ein evangelischer oder katholischer Unterricht sein mit einer Willkommenskultur für alle anderen Konfessionen, Religionen oder Weltanschauungen. Dafür müssten aber staatliche und kirchliche Schulbehörden Organisationsformen für den Religionsunterricht an Förderschulen klären – und die Ergebnisse an Schulleitungen und Religionslehrerinnen weitertragen. Es sei notwendig, die total überalterten Lehrpläne für dieses Fach im Bildungsgang „Lernen“ und im Bildungsgang „Ganzheitliche Entwicklung“ neu zu erarbeiten. „Die vereinzelten Kolleginnen und Kollegen, die Religion in ihren Förderschulklassen noch unterrichten, fühlen sich alleingelassen“, sagt Beil. Neben aktuellen Bildungs- und Arbeitsplänen fehlten geeignete Materialien. Deshalb bietet Beil in Kooperation mit der Schulabteilung der Diözese Speyer einmal im Jahr einen praxisorientierten Studientag für evangelische und katholische Lehrpersonen der Förderschule an. Doch könne dies nur ein kleiner Beitrag sein, sagt Beil.

So müsste bildungspolitisch sichergestellt sein, dass junge Förderschullehrerinnen und Förderschullehrer, die mit der Vokation oder der Missio die Unterrichtserlaubnis für evangelische oder katholische Religion haben, an Förderschulen tatsächlich dafür eingesetzt werden. Schließlich bekämen viele angesichts des Mangels an Förderschullehrern stattdessen Stellen in der Inklusion zugewiesen.

Für mehr Religionsunterricht an Förderschulen empfiehlt Beil den Kirchen daher, Nachqualifizierungskurse für das Fach evangelische oder katholische ­Religion an Förderschulen anzubieten. Zu diesen sollten nicht nur Förderschullehrer, sondern auch pädagogische Fachkräfte zugelassen werden. „Schließlich übernehmen diese an Schulen mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung einen großen Teil des Unterrichts“, sagt die Förderschulexpertin. Florian Riesterer

Das Schattendasein des Religionsunterrichts

Arbeitsgemeinschaft kritisiert Mangel an sozialpädagogisch geschulten Lehrkräften bei der Inklusion

Die Qualität religiöser Bildung an Förderschulen und in der Inklusion, also im gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Kindern, ist akut gefährdet. Das geht aus einem Thesenpapier hervor, das die Arbeitsgemeinschaft der Pädagogischen Institute und Katechetischen Ämter in der Evangelischen Kirche in Deutschland verabschiedet hat. Der Religionsunterricht an Sonder- beziehungsweise Förderschulen führe seit seiner Einführung ein Rand- und Schattendasein.

Bis heute gebe es an den Hochschulen in diesem religionspädagogischen Feld fast keine theoretische und empirische Grundlagenforschung, heißt es in dem Papier. Die von den Vereinten Nationen erhobene Forderung, ein inklusives Bildungssystem zu gewährleisten, führe in der religiösen Bildung von Schülern mit Förderbedarf zu einer mehrfachen Destabilisierung.

Zum einen herrschen dem Papier zufolge im Religionsunterricht an Förderschulen noch mehr als zuvor Unterrichtsausfall und ein Mangel an sonderpädagogisch qualifizierten Lehrkräften, da viele dieser besonders qualifizierten Kräfte im inklusiven Unterricht in anderen Fächern gebraucht werden. Zum Zweiten seien die Religionslehrkräfte der allgemeinen Schulen für den inklusiven Unterricht nicht qualifiziert.

Zum Dritten seien die Religionslehrkräfte durch strukturelle Faktoren des Religionsunterrichts besonders belastet. Sie seien nur ein oder zwei Stunden in der Klasse präsent, der Unterricht finde häufig in Randstunden statt und sei oft klassen- und jahrgangsübergreifend, heißt es in dem Papier. Außerdem würden Förderschullehrkräfte mit der Befähigung zum Religionsunterricht verstärkt in der Inklusion und in anderen Fächern eingesetzt.

Durch diesen Mangel an Religionslehrkräften in Förderschulen und im inklusiven Religionsunterricht an Regelschulen fehlten Fachkräfte, die Referendare der Sonderpädagogik mit dem Fach Evangelische Religion anleiten könnten. In vielen Bundesländern gebe es zudem keine Bildungspläne für Evangelische Religion an Förderschulen, die die unterschiedlichen Schwerpunkte an den Schulen berücksichtigen. KB

Studientag für Förderschullehrer

Einen ökumenischen Studientag für pädagogische Fachkräfte und Lehrerinnen und Lehrer an Förderschulen leiten Brigitte Beil von der Landeskirche und Brigitta Greif vom Bistum Speyer am Donnerstag, 13. Februar, 9 bis 16 Uhr, in der Katholischen Hochschulgemeinde Landau, Moltkestraße 9. In der Fortbildung werden ganzheitliche Unterrichts­ideen zu den Kirchenjahresfesten von Februar bis Juni vorgestellt. Zu jedem Fest gibt es Lernkisten zum Nachspielen biblischer Geschichten. Anmeldung beim Religionspädagogischen Zentrum Kusel, Telefon 06381/6304 oder per E-Mail an rpz.kusel(at)nospamevkirchepfalz.de. flor

 

Meistgelesene Artikel