Verblüffende Strukturen aus Telefonbuchpapier und Holz

Die Arbeiten der Objektkünstlerin Silvia Mielke kommunizieren zwischen Mensch und Natur – Kritik an ihrem Bibelkunstprojekt akzeptiert sie

Bibelrolle: Aus einer Bibel werden 40 Meter Band. Foto: VAN

Papier und Holz sind ihr Element: Die Jockgrimer Künstlerin Silvia Mielke in ihrem Atelier mit einer Bibelrolle. Foto: VAN

Strukturen haben es Silvia Mielke angetan. Die Arbeiten der Jockgrimer Objektkünstlerin reizen zum Drüberstreicheln. Manche der namenlosen Stücke sehen aus, wie aus Holz gearbeitet. Andere muten an, wie eine Reihe gleicher Kacheln oder eine kleine Backsteinmauer. Die Farben der Objekte sind meist gedeckt, doch manchmal blitzt auch Farbe auf, vor allem das kräftige Magenta der Telekom. Und das kommt nicht von ungefähr: Silvia Mielke, die 1947 in Ludwigshafen geboren wurde, arbeitet seit 25 Jahren ausschließlich mit Telefonbüchern und Holz.

Mielke schneidet, faltet, klebt und leimt das Papier, fügt es zu Päckchen zusammen – gelegentlich bearbeitet sie es mit Feuer. Sie verbindet es mit Holz, die Unterschiede zwischen den Materialien verschwimmen; es entstehen dekorative an Reliefs erinnernde Stücke, die verblüffen und neugierig machen auf die Art ihres Entstehens. Sie arbeite aus dem Bauch heraus, sagt Mielke. Oft beziehe sie Anregungen aus ihrem täglichen Leben mit ein, aus der Familie, der kleinen und der großen Politik.

Der Mensch entnimmt der Natur das Holz, macht daraus Papier, um zu kommunizieren, sagt Mielke. Sie wolle diese Verbindung deutlich machen und symbolisch das Papier der Natur wieder zurückgeben. Dabei spielt immer der Mensch eine zentrale Rolle, geordnet, systematisiert und auf engstem Raum bewahrt im Telefonbuch, dem Symbol der Kommunikation. Wer sich die verschiedenen Arbeiten Silvia Mielkes anschaut, versteht, warum ihr die Telefonbücher über 25 Jahre hinweg nicht langweilig geworden sind.

Und doch arbeitet sie derzeit mit einem anderen Buch: der Bibel. Auf die Idee gebracht hat sie Mechthild Werner, ehemals Pfarrerin in Jockgrim und heute Beauftragte der Landeskirche für die Feiern des Jubiläums 200 Jahre Pfälzer Kirchenunion. In den Gemeinden lägen viele alte Bibeln, habe Werner ihr erzählt. Die Landeskirche habe neue, in einer überarbeiteten Übersetzung angeschafft. Bevor die alten Bibeln vergammeln oder weggeworfen werden, könne sie doch auch Kunst daraus machen.

Zunächst habe sie Bedenken gehabt, sagt Mielke, die sich selbst als durchaus nicht ungläubige Frau bezeichnet. Doch die Vorbehalte galten nicht einer möglichen Heiligkeit der Heiligen Schrift. „Ich habe mich nur gefragt, ob ich meinen Telefonbüchern untreu werden kann.“ Nach einigem Nachdenken sagte sie aber zu. Auch in der Bibel gehe es um Menschen und ihre Geschichten. Und irgendwie sei sie ja auch ein Nachschlagewerk für Menschen auf der Suche. Mielke besorgte sich Kabeltrommeln, faltete die Bibelseiten, klebte sie zusammen und rollte sie auf. Sechs bis sieben Stunden braucht sie, um aus einer Bibel ein Band von 40 Metern Länge zu fertigen. „Im Gegensatz zu den Telefonbüchern produziere ich bei den Bibeln keinen Abfall. Ich habe noch nichts weggeworfen“, sagt sie.

Dass nun die evangelische Kirche in Kaiserslautern, wo die Unionsfeiern stattfinden und das Kunstobjekt gezeigt werden sollte, ihre Arbeit nicht will, akzeptiere sie. „Das ist nicht mein Thema. Wie alle meine Arbeiten habe ich auch die Rollen für mich gemacht.“ Dass der Vorsitzende der Kaiserslauterer Bezirks­synode, Hermann Lorenz, ihre Kunst in die Nähe einer Klobürste im Abendmahlskelch gerückt hat, finde sie nicht nett, mache ihr aber auch nichts aus. Lorenz hatte diesen Vergleich gewählt, um die Ablehnung des Bibelkunstprojektes zu begründen. Schade sei, dass dieser Herr sich nie gemeldet habe oder sich vor seinem Urteil einmal mit ihrer Arbeit auseinandergesetzt habe, sagt die Künstlerin, deren Arbeiten schon in zahlreichen Ausstellungen zu sehen waren. Ein Objekt war auch Teil der Ausstellung zum Jahr der Bibel 2003 in der Pfalzgalerie Kaiserslautern.

Nun freut sich Mielke, dass die Arbeit in Ludwigshafen und Frankenthal gezeigt wird. Auf die Frage, ob es sich bei den Bibelrollen um eine Auftragsarbeit für die Landeskirche handele, zuckt die Künstlerin mit den Schultern. Darüber sei nie gesprochen worden. Wenn es kein Geld gebe, habe sie eben für Ruhm und Ehre gearbeitet und immerhin neue künstlerische Erfahrungen gemacht. „Wenn mir die Landeskirche aber meine Unkosten ersetzt, dann wäre das doch so etwas wie die Anerkennung meiner Arbeit.“ Klaus Koch

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