Über die eigenen Grenzen hinweg

Mit dem Erprobungsraum „RegioZonen“ will sich der Kirchenbezirk Pirmasens fit für die Zukunft machen

Deutlich an Mitgliedern verloren: Kirchengemeinde Thaleischweiler. Foto: Seebald

Konzept: So könnten die Grenzen der Kooperationsregionen künftig verlaufen. Grafik: KB

Lemberg, Winzeln, Höheinöd, Matthäusgemeinde Pirmasens: Vier Pfarrstellen werden von 2021 bis 2024 im Kirchenbezirk Pirmasens vakant. Ein Vorgeschmack auf die folgenden Jahre. Denn die geburtenstarken Pfarrerjahrgänge gehen in den Ruhestand. Zwar hat der Kirchenbezirk von 1994 bis 2016 rund 12500 Gemeindemitglieder verloren. Das sind knapp 25 Prozent. Trotzdem werden die verbleibenden Pfarrer mehr zu tun haben. Denn längst nicht alle Stellen wird die Landeskirche neu besetzen können. Bis 2030 sollen 45 Pfarrstellen abgebaut werden, bis 2026 allein im Kirchenbezirk Pirmasens drei.

Dabei knirscht es längst im Kirchenbezirksgebälk. In der vergangenen Einsparrunde wurde vor allem die Stadt Pirmasens gebeutelt. Von 8,3 Pfarrstellen blieben 5,6 erhalten. „Das hat gesundheitliche Spuren bei den Kollegen hinterlassen“, sagt Walter Becker, der zehn Jahre lang Pfarrer in der Johanneskirchengemeinde Pirmasens war. Vor allem ab 2013 sprang er als Schulpfarrer häufig bei längerfristigen Vakanzen ein. Irgendwann war ihm klar geworden: „Ich kann da nicht mehr zuschauen.“

Eine Lösung könnte das sein, wofür Becker nun seit August trommelt – ausgestattet mit einer halben Projektstelle der Landeskirche, finanziert auf zwei Jahre. Mit Dekanin Waltraud Zimmermann-Geisert hat er das Projekt „RegioZonen“ im Kirchenbezirk angestoßen, das der Bezirkskirchenrat im Januar 2018 einstimmig verabschiedet hat. Seit Mitte dieses Jahres ist das Projekt offizieller Erprobungsraum, wie das bei der Frühjahrssynode der Landeskirche verabschiedete Konzept heißt. Spiritualität, Teilen des Glaubens in Wort und Tat, Verantwortung, Toleranz und Flexibilität: Laborwerte, an denen sich die Zukunft von Kirche messen lasse, sagte damals Oberkirchenrätin Marianne Wagner. Dafür propagierte sie das Austesten neuer Struktur- und Arbeitsformen. Kirche sei davon abhängig, wie lebendig ihre Mitglieder seien.

Wie stellen wir uns die Region in zehn Jahren vor, wurden deshalb Teilnehmer in Workshops bei Presbyteriumsvollversammlungen in den vier konzipierten Kooperationsregionen Stadt, Nord, West und Südost – jede bestehend aus vier oder sechs Pfarrgemeinden – gefragt. Herausgekommen sind klare Standpunkte, beispielsweise, dass die Kirchengemeinde vor Ort als Kristallisationspunkt kirchlichen Lebens erhalten werden muss. Das bedeutet nicht, dass Gottesdienste in jeder Gemeinde wöchentlich stattfinden müssen oder nicht auch Ehrenamtliche Dienst tun können, sagt Becker. Kanzeltausch, eine optimierte Kausalvertretung, Schwerpunktsetzungen der Pfarrer – etwa beim Thema Konfirmanden- oder Jugendarbeit – sollen entlasten, andererseits Planungssicherheit gewährleisten für haupt-, neben- und ehrenamtlichen Akteure, die nicht mehr länger Gewehr bei Fuß stehen müssen.

Und es gibt noch mehr Ansätze. Regionale Bauausschüsse, die sich um Kirchenimmobilien kümmern, zentralisierte Verwaltungsabläufe, die Zusammenarbeit von Kirchenchören oder Bands unterschiedlicher Gemeinden und die Einbindung regionaler Dienste wie den Gemeindepädagogischen Dienst, ja sogar eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit: Die Liste ist lang, externe Berater sollen helfen. Bis 2020 sollen die Presbyterien gemeinsame tragfähige Modelle in den „RegioZonen“ entwickeln, zur Frühjahrssynode 2020 soll ein erster Zwischenbericht vorliegen.

Das alles bedeutet, miteinander zu reden, nicht still vor sich hinzuwursteln, von vorgefertigten Meinungen abzurücken. Ein mitunter steiniger Weg, gesteht der Pfarrer. Manchmal auch, weil er den Vorwurf höre, dahinter verstecke sich nur ein Spardiktat aus Speyer. Doch das seien Minderheitenmeinungen, sagt Becker. Vorerst nimmt er vor allem Begeisterung war: „Die Gemeinden sprühen vor Ideen.“ Und schon jetzt wisse mancher mehr vom kirchlichen Leben im Nachbarort als noch vor wenigen Monaten. Erste Verabredungen sind gemacht. Florian Riesterer

Starker Rückgang vor allem in der Stadt

Der Kirchenbezirk Pirmasens hat zwischen 1994 und 2016 rund ein Viertel seiner Mitglieder verloren

Ein Ergebnis der ersten Presbyteriumsvollversammlungen 2018 in den vier konzipierten Kooperationsregionen ist der deutliche Wunsch von Presbyterien, bei Verwaltungsarbeit und Gebäudemanagement entlastet zu werden, um mehr inhaltlich aktiv sein zu können. Neben Ideen wie einer zentralen Haus- und Gebäudeverwaltung wurde kostensenkend vorgeschlagen, Gebäude durch evangelische und katholische Kirche oder durch Kommune und Kirche gemeinschaftlich zu nutzen. Die Kon­zent­ration der Arbeit in übergemeindlichen oder sogar regionalen Bauausschüssen steht ebenfalls zur Debatte.

Für die vier Kooperationsregionen hat Walter Becker eine erste Übersicht der vorhandenen Immobilien erstellt. Insgesamt 41 Kirchen, 21 Gemeindehäuser, acht Kindertagesstätten und 19 Pfarrhäuser sind aktuell zu verwalten. Aufgeführt sind auch Räume in Kirchen, die für Gruppen nutzbar sind.

Die Frage, welche und wie viele Gebäude sich die Pfarrgemeinden künftig leisten werden, hängt in großem Maß von der jeweiligen Gemeindemitgliederentwicklung ab. Zwar hat der gesamte Kirchenbezirk insgesamt rund 25 Prozent an Mitgliedern verloren zwischen 1994 und 2016. Jedoch verteilen diese sich regional sehr unterschiedlich, hat Becker festgestellt. Während die Gesamtkirchengemeinde Pirmasens in dieser Zeit mehr als ein Drittel ihrer Mitglieder verlor, waren es in den Land-Kirchengemeinden im Durchschnitt nur rund 18 Prozent. Hier wurden wiederum von Pfarrgemeinde zu Pfarrgemeinde enorme Unterschiede deutlich.

Während in der Kooperationszone Nord die klassisch protestantischen Orte Thaleischweiler und Höheinöd mit rund 25 und rund 30 Prozent Mitgliederschwund die Schlusslichter bilden, verloren zwei klassisch katholische Orte deutlich weniger Mitglieder: In Hermersberg betrug der Rückgang nur 1,5 Prozent, Rodalben konnte zuletzt sogar zulegen. In der Region Südost legte Dahn um 7,73 Prozent zu, am anderen Ende der Skala befindet sich das nahe Hinterweidenthal, das 30 Prozent der Gemeindeglieder verlor. In West hat Nünschweiler mit 28,34 Prozent die höchsten Verluste aufzuweisen. flor

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