Trommeln und tanzen an Bronya

Wie Christen weltweit Weihnachten unter Corona feiern – Ein Blick in Partnerkirchen der Landeskirche

Dieses Jahr in Papua deutlich seltener: Traditionelle Weihnachtskrippe mit Lautsprechern für Weihnachtslieder. Foto: MÖD Pfalz

Mit Sorge blickt Dr. Changhwan Kim nach Südkorea, wo derzeit die Infiziertenzahlen ansteigen. Lange galt seine Heimat als Corona-Musterland. Früh galt eine Maskenpflicht, und die Bevölkerung war bereit, Daten zur Nachverfolgung des Virus preiszugeben. Dafür mussten Läden und Restaurants nie komplett schließen. Menschen konnten sich verabreden, feiern oder Sport machen – mit Ausnahme von Fitnessstudios oder Massenveranstaltungen, sagt Kim, der beim Missionarisch Ökumenischen Dienst in Landau arbeitet. Mit am meisten betroffen von der Pandemie sind religiöse Veranstaltungen, sagt er. Hausbesuche, Musik im Gottesdienst, Seminare und vieles andere sei verboten. „Gottesdienste wurden schon zweimal komplett untersagt.“ Hörbare Gebete und Lobpreislieder seien charakteristisch für südkoreanische Kirchen. Gerade darin sehe die Regierung eine Gefahr mit Blick auf das Virus, sagt Kim.

Allerdings hätte die Kirche teils das Gefühl, über Gebühr eingeschränkt zu werden. Die Regierung nutzt das Virus als Vorwand, so würden viele Protestante denken. „Das geht meiner Ansicht nach darauf zurück, dass einige Pfarrer der aktuellen Regierung eher kritisch gegenüberstehen“, sagt Kim. Möglich also, dass einige Konservative die gesamte protestantische Kirche als Gegenbewegung zur Regierung sehen.

Kim ist sicher: Weihnachten in seiner bisherigen Form wird in Südkorea 2020 nicht stattfinden. Vor allem musikalische Veranstaltungen seien kaum durchführbar, die Stimmung gedrückt. Normalerweise spiele Weihnachtsschmuck eine ganz große Rolle. Dafür werde im Zentrum von Seoul ein riesiger Weihnachtsbaum aufgestellt, außerdem ein großer Weihnachtsbaum für Nordkorea in der Demilitarisierten Zone. „Leider ist mir darüber in diesem Jahr bisher nichts bekannt, das fällt möglicherweise Corona zum Opfer.“

Viel problematischer für die protestantische Kirche im Land sei, dass die Einnahmen dieses Jahr ohne Gottesdienste zwischen 30 und 70 Prozent eingebrochen sind. „Schließlich finanzieren sich die Kirchen komplett über Spenden.“ Dies könnten auch Onlinespenden nicht wettmachen.

Darüber hinaus verliere der Sonntagsgottesdienst, der traditionell eine große Rolle spiele, an Bedeutung, je länger die Pandemie dauere. Das betreffe auch den Sonntag als Feier- und Ruhetag. Das werde Einfluss auf die Gottesdienstmoral haben – trotz der Etablierung von Onlinegottesdiensten. Hier blieben etliche außen vor, auch aus technischen Gründen.

Deutlich abgespeckter fallen die Feierlichkeiten auch in der indonesischen Provinz Papua aus, wo im Gegensatz zum übrigen Indonesien die Mehrheit christlich ist. Das berichten Pfarrer Andre Kakiay und Pfarrerin Diana Pesireron vom Kirchenbezirk Waropen.

Normalerweise werden Anfang Dezember, manchmal schon Ende November, vor den Wohnhäusern große Weihnachtskrippen aufgebaut, mit traditioneller Weihnachtsdekoration aus Muscheln oder Bambus. Dazu gehört ein Bild der Heiligen Familie, außerdem Kuh, Ziege, und Schweine. Letztere gelten in Papua als heilige Tiere. Zu Weihnachten werden sie gerne geschlachtet. Neben der Krippe spielt ein Lautsprecher Weihnachtslieder. Manchmal hängt dieser an Kirchen, die die Menschen so zum Gebet oder Kirchgang auffordern, berichtet der Erfenbacher Pfarrer Christoph Krauth von seinem Aufenthalt im Land. „Das kollidiert mitunter mit dem Gebetsruf des Muezzins.“

In diesem Jahr sei von den Krippen und den Lautsprechern nichts zu sehen, sagt Pfarrerin Diana Pesireron. Grund sei offenbar die Pandemie, es fehle an Geld. Dazu seien alle Gottesdienste außer Heiligabend gestrichen worden. Der indonesische Religionsminister und der indonesische Kirchenrat hätten empfohlen, dass Weihnachtsgottesdienste, die von der Familie, Gruppen oder Kirchengemeinden gefeiert werden, sowie kirchliche Versammlungen nur online gefeiert werden sollten. Weihnachtsgottesdienste vor Ort dürften nicht länger als eine Stunde dauern. Mit Mundschutz und Abstand singen ist aber erlaubt. Ab Mitte Oktober wurden die strengen Lockdown-Regeln aufgehoben, die Indonesien im Frühjahr verhängt hatte. Seitdem steigen die Corona-Zahlen wieder stärker.

Aus der ghanaischen Hauptstadt Accra berichtet Pastor Rafel Dreyer, dass Corona zwar sehr präsent in den Medien sei. Angst hätten aber die wenigsten. Das ist wenig verwunderlich, führen offizielle Statistiken doch nur 326 Corona-Tote und 855 aktiv Erkrankte in dem westafrikanischen Land mit seinen rund 30 Millionen Einwohnern, berichtet Dreyer, der seit knapp vier Jahren Pfarrer der Presbyterian Church of Ghana ist. Nichtsdestotrotz gilt die Maskenpflicht in öffentlichen Gebäuden. „Seit März sind Schulen und Universitäten geschlossen, meine beiden Kinder zu Hause.“ Die Partnerkirche der pfälzischen Landeskirche hat minutiös Kontaktbeschränkungen und Hygieneprotokolle umgesetzt, sodass weit weniger Menschen am Gottesdienst teilnehmen können.

Dreyer sieht den Feiertagen dennoch gelassen entgegen. „An Weihnachten kommen im allgemeinen nicht viel mehr Menschen zur Kirche als gewöhnlich“, sagt er. Zwar gäbe es mehr Veranstaltungen, darunter traditionell ein ausgedehntes Krippenspiel der Kinder mit einstudierten Gesängen und Tänzen, „bis zu zwei Stunden lang“. Allerdings seien die meisten Kirchen mittlerweile von der charismatischen Bewegung geprägt. „Für diese Pfingstkirchen spielt das Kirchenjahr mit den Hochfesten Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt weniger eine Rolle, die traditionelle Bedeutung der Feste rückt etwas in den Hintergrund.“ Viele Kirchen nutzen stattdessen die Zeit am Ende des Jahres für Evangelisationen. „In meiner Ortsgemeinde wird an Weihnachten die Konfirmation gefeiert“, sagt Dreyer.

Sichtbar ist das Fest in der Kirche dennoch. Die „Presbyterian Church of Ghana“ hat den europäischen Weihnachtsbaum übernommen. In den Kirchen stehen große Plastikbäume, meist „made in China“. Seine Idee, es doch einmal mit einer hiesigen Palme zu versuchen, sei im Presbyterium lediglich auf freundliches Interesse gestoßen, berichtet Pfarrer Dreyer. Die Tradition sei zu stark verwurzelt. Dennoch: „Bei uns in der Familie haben wir einen kleinen Palmbaum geschmückt.“ Die meisten Familien haben ihre Häuser allerdings nicht für Weihnachten dekoriert, weil sie ihr Geld, wenn vorhanden, eher für andere Dinge ausgeben. Ein gutes Weihnachtsessen mit Fleisch gehöre dazu. Aus Schokolade machten sich Ghanaer wiederum nichts.

Neben der Kirche ist Weihnachten, das in Ghana Bronya heißt, vor allem eine Partyzeit. Bronya wird von dem Fante-Twi-Ausdruck „bor na nya“ abgeleitet und bedeutet so viel wie „schwimmen und bekommen“. Der mündlichen Überlieferung nach organisierten die Portugiesen nach ihrer Ankunft 1471 bis zur Niederlage gegen die Holländer 1627 an Weihnachten Schwimmwettkämpfe für die Einwohner. Ziel waren mit Leckereien gefüllte Kanus im Meer. Später ersetzten aufwändige Rituale die Wettkämpfe, „man betete um diese Zeit zu den Ahnen für Frieden, Wohlstand und Gesundheit“, sagt Dreyer. Heute seien die wichtigsten Merkmale von Bronya Fröhlichkeit, Trommeln und Tanzen. Florian Riesterer

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