Thomas und die 40 Frauen

Der Landauer Frauenchor „SingContact“ ist 2007 aus einer Kindergarteninitiative erwachsen

Konzentrierte Probe (von links): Pianistin Galina Marker, Chorleiter Thomas Leiner und die Sängerinnen von „SingContact“. Foto: pv

Man sollte schon mal gefasst sein auf die Begegnung mit den üblichen Klischees: Thomas Leiner, der musikalische Leiter von „SingContact“, stellt tatsächlich die einzige männliche Komponente im rund 40 Stimmen starken Frauenchor: Hahn im Hühnerhof, ohne männliche Autorität klappt’s halt nicht, Frauen brauchen eine starke Hand und so weiter. Bei den Beteiligten erregt dergleichen allenfalls gedämpfte Heiterkeit.

Erhellender ist da schon die Sicht auf die stattliche Bilanz der Aktivitäten in den zehn Jahren seit Gründung. Am 6. Mai nämlich, anlässlich des Gottesdienstes zur goldenen Konfirmation in der Johanneskirche Landau, wird „SingContact“ seinen 100. Auftritt haben. Und nicht weniger staunt man beim Blick auf die ungewöhnliche Genese des Frauen-Ensembles, das seine Geburtsstunde in einem Kindergarten erlebte.

Im Advent 2006 bat eine Erzieherin im protestantischen „Spiel- und Lernhaus“ in Landau-Horst – durchaus unüblich – einige Mütter um Stimmeinsatz im Weihnachtsgottesdienst. Sie sollten ein Lied übernehmen, das ihr am Herzen lag, für die Kleinen aber offenbar zu schwer war. „Nur dieses eine Mal.“ Dagmar Rheude, Privatmusikerzieherin, griff zur Gitarre und begann mit rund 20 Freiwilligen zu üben. Generalprobe in der Johanneskirche, der offenbar komplizierte Rhythmus holperte noch etwas; und da erschien plötzlich einem „Deus ex machina“ gleich Thomas Leiner vor dem Altar. Der hatte eigentlich Orgel üben wollen. Statt sich schmollend zurückzuziehen, stellte er sich – selbst Vater eines Kindes der Kindertagesstätte – kurzerhand singend dazu, gab auch ein paar gut platzierte Einsätze. Und die Sache klappte.

Man könnte es Liebe auf den ersten Blick nennen. Die Frauen hatten sozusagen Blut geleckt, das gemeinsame Singen hatte die Lust auf mehr entfacht. „Machen wir glatt nochmal“, lautete die Parole, und: „Thomas Leiner ans Pult!“ Der schlug ein, aber nur unter der Bedingung, dass er ein festes Chorgefüge mit regelmäßigen Proben etablieren könne.

So begann man im Frühjahr 2007 mit den Proben. Per Aushang im Kindergarten wurde um weitere Mitglieder geworben, die sich erst zögerlich, dann immer zahlreicher einstellten. Kinder durften mitgebracht werden, Nebenschauplatz: Spielecke. Zunächst habe sich der Aufruf ja auch an Männer gerichtet, sagt Ute Blumer, die Chorsprecherin. Aber es kamen keine. „Und heute wollen wir keine mehr“, bekräftigt sie lakonisch. Denn „SingContact“ hat sich wunderbar formiert und behauptet sich selbstbewusst als funkelndes Popularmusikjuwel im farbigen Spektrum der Landauer Kirchenmusik.

Ein knappes Dutzend der Gründungsmitglieder sind noch im Team, das sich längst nicht mehr allein aus Müttern von Kindergartenkindern rekrutiert, sondern auch für Studentinnen mittlerweile attraktiv ist. Thomas Leiner freut sich, dass Erzieherinnen nach wie vor mit von der Partie sind, zumal das Spiel- und Lernhaus der Aktion „SingContact“ sein Zertifikat als musikalischer Kindergarten verdankt. Dennoch: „Eine gewisse Unabhängigkeit haben wir uns bewahrt“, sagt Ute Blumer. „Wir gehören nicht unmittelbar zur Kirchengemeinde, sind aber dankbar, im Gemeindehaus proben zu dürfen. Dafür gestalten wir mindestens drei Gottesdienste pro Jahr – das ist der Deal.“

Ohne Vereinsstatus hat sich der Chor aus Gründen der Funktionalität doch vereinsähnliche Strukturen auferlegt. Es gibt eine Kassenwartin, und Ute Blumer, die sich um Organisation, Öffentlichkeitsarbeit und Statistik kümmert, hat ein kleines Team von Helferinnen um sich. „Das klappt einfach bei uns“, lobt sie. Und selbstverständlich: Alles geschieht auf ehrenamtlicher Basis.

Das gilt auch für Galina Marker, die Pianistin – ein seltener Glücksfall. „Wir haben mit ihr das große Los gezogen“, sagt Blumer. Seit 2011 fungiert Marker als begleitendes Orchester für die Frauen von „SingContact“. Die ihrerseits die Latte des künstlerischen Anspruchs stetig höher gehängt haben, geistliche und weltliche Stücke quer durch die Genres drei- bis vierstimmig und stets rhythmisch durchgestylt mit Verve präsentieren. Thomas Leiners spezielle Fertigkeit: Er ist ein versierter Arrangeur.

Weihnachts- und Ostergottesdienste, Kindergartenfeste sowie die Gestaltung von Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und auch schon mal Beerdigungen nehmen unvermindert breiten Raum ein. Hinzu kommen in der Regel mindestens zwei Konzertauftritte pro Jahr, Anfragen für Gastauftritte in anderen Gemeinden und auch mal ein Singen in der Seniorenresidenz. Auch zeigte man Präsenz bei einmaligen Ereignissen wie dem Weltgebetstag, dem Interkulturellen Fest im Landauer Alten Kaufhaus, bei der „Freien Bühne“ im Haus am Westbahnhof und erst im Dezember, mit großem Erfolg, bei der Chorgala in der Landauer Festhalle.

„Es kommen mehr Anfragen, als wir bedienen können“, sagt Leiner erfreut. Dass auch eine Yogalehrerin mitsingt, sorgt für eine zusätzliche Attraktion: Jede Chorstunde beginnt mit 15 Minuten Entspannung und Abschalten vor dem Einsingen. So vorbereitet, vergehen 60 Minuten Probe wie im Flug. Neue Sängerinnen sind übrigens stets willkommen. Die Proben finden mittwochs, 18 Uhr, im Gemeindehaus der Johanneskirche Landau-Horst statt. Gertie Pohlit

Kontakt: thomasleiner(at)nospamaol.com und ute.blumer(at)nospamt-online.de

Musikalische Speerspitzen im Chor

Wo er auftaucht, liegt Musik in der Luft. Thomas Leiner, 1964 in einem musikliebenden Landauer Elternhaus geboren, hat früh Fuß gefasst im Reich der Töne – Akkordeon, Tenorhorn und Posaune, schließlich mit 13 Jahren am Klavier. Spielwiesen waren Stadtkapelle, Jazz-Ensemble und Big Band.

Den Virus Kirchenmusik pflanzte der damalige Landauer Bezirkskantor Heinz Markus Göttsche ein. Als C-examinierter „Nebenamtler“ bezieht Leiner, Vater von drei Kindern, bis zum heutigen Tag fast immer sonntags auf einer Orgelbank Position, in Leinsweiler und Ilbesheim sowieso, ansonsten quer durch die Südpfalz zwischen Weingarten und Birkweiler.

Der Landauer Stiftskantorei ist er bis heute als Sänger treu geblieben. Auf dem Podium steht er dagegen allein. Vormals in Edesheim und Queichheim, seit 2010 in Godramstein, sangen und singen die Kirchenchöre nur zu gerne nach seiner Pfeife, nein, nach seinem zuverlässigen Schlag. Beruflich ist Leiner in Mannheim verankert, im Bereich Personalmanagement der Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik. Wen wundert es, dass er auch dort ein Chorprojekt losgetreten hat: den BGHW-Chor.

Pianistin Galina Marker, der zweite Glücksfall für „SingContact“, stammt aus Kasachstan, hat dort Musik studiert und nach ihrem Examen sechs Jahre an einer Musikschule unterrichtet. Als sie mit ihrem Mann berufsbedingt nach Landau übergesiedelt war, kam sie durch die Kindergartengruppe ihrer Tochter Nicole mit dem Frauenchor in Kontakt. Und ist sofort begeistert eingestiegen. Bis heute hat die „brillante Tastenkünstlerin“ (O-Ton Chorleiter) keinen Auftritt versäumt und ist bei jeder Probe zur Stelle. Unentgeltlich, versteht sich. „Weil es so riesigen Spaß macht!“ gpo

Meistgelesene Artikel