Offenheit für neue Ideen und Strukturen

Pfälzische Landessynode beschließt Konzept für Erprobungsräume kirchlicher Arbeit – Signal an die Basis

Will einen geistlichen und missionarischen Aufbruch unterstützen: Plenum der pfälzischen Landessynode in Kaiserslautern. Foto: view

Knapp: Dorothee Wüst gewinnt die Oberkirchenratswahl mit einer Stimme Vorsprung vor Claus Müller. Foto: view

Auf dem Podium (von links): Michael Beintker, Horst Gorski, Reinhard Mawick, Irmgard Schwaetzer und Christian Schad. Foto: view

Die pfälzische Landeskirche will mit neuen kreativen Initiativen das kirchliche Leben stärken. Die Landessynode verabschiedete ein Gesetz, das sogenannte Erprobungsräume möglich macht. Bei den nötigen Veränderungen in der Kirche müssten geistliche Aspekte mehr in den Vordergrund rücken, sagte Oberkirchenrätin Marianne Wagner. Zur Unterstützung der Projekte innerhalb der Erprobungsräume stellt die Landeskirche jährlich 250000 Euro zur Verfügung.

Das Konzept der Erprobungsräume solle ein Signal an die kirchliche Basis senden, sagte Wagner. Es sei eine geistliche und finanzielle Investition in die Zukunft der Kirche, damit diese ihrem Auftrag gerecht werden könne. Menschen sollten dadurch ermutigt werden, etwas auszuprobieren, etwas anzustoßen, was zu ihnen und dem Ort, in dem sie leben, passt. Dabei dürfe kein Erfolgsdruck entstehen. Fehlerfreundlichkeit und das Risiko zu scheitern, seien ausdrücklich Bestandteile des Konzepts.

Die Kirche müsse aufhören, ständig Untergangsszenarien an die Wand zu malen, sagte Wagner. Es sei ein geistlicher und missionarischer Aufbruch nötig. In den Erprobungsräumen fänden auch Projekte Platz, die bereits jetzt vorgeschlagen oder gestartet seien. Allerdings wolle die Landeskirche nichts vorschreiben, sondern sich offen zeigen für neue Ideen, neue Arbeitsformen und neue Strukturen.

Ziel der Erprobungsräume sei, dass ein Perspektivwechsel stattfinde, sagte Pfarrer Tim Kaufmann als Projektleiter. Die Kirche solle stärker den Blick auf Dinge richten, die vor Ort fehlen. Bei solchen Projekten könnten dann auch Verbündete außerhalb der Kerngemeinde gefunden werden. Dadurch solle wieder stärker in das Bewusstsein der Menschen rücken, dass Kirche nicht nur eine Veranstaltung für ein paar Auserwählte am Sonntagmorgen sei.

In dem Konzept sind für die Erprobungsräume jährlich 250000 Euro eingeplant. Das Geld diene nicht der Finanzierung von Projekten, sagte Wagner. Es sei für die Beratung und Begleitung von Initiativen vorgesehen sowie für eine Ideenbörse oder Exkursionen zu bestehenden Angeboten. Einen Zeitrahmen sieht das Konzept nicht vor. Die Erprobungsräume seien so offen angelegt, dass in ihnen ohne Zeitdruck experimentiert werden solle, sagte Wagner, die für die Perspektivarbeit der Landeskirche zuständig ist. epd

Wüst wird Oberkirchenrätin

Kaiserslauterer Dekanin tritt 2019 Nachfolge von Michael Gärtner an

Dorothee Wüst wird neue Oberkirchenrätin der Evangelischen Kirche der Pfalz. Die Kaiserslauterer Dekanin setzte sich in der Landessynode im dritten Wahlgang mit 34 zu 33 Stimmen gegen den Germersheimer Dekan Claus Müller durch. Kirchliches Handeln könne nur erfolgreich sein, wenn es sich an den Menschen und ihren Bedürfnissen orientiere, sagte Wüst in ihrer Vorstellungsrede.

Die 53-jährige Wüst wird im Frühjahr 2019 die Nachfolge von Oberkirchenrat Michael Gärtner antreten, der dann in den Ruhestand geht. Neben Wüst und Müller traten noch Pfarrer Alexander Bitzel aus Mannheim und Pfarrer Friedemann Fritsch aus St. Georgen im Schwarzwald an. Fritsch schied im ersten Wahlgang mit einer Stimme aus, Bitzel im zweiten Wahlgang mit 17.

Wüst wird wie Gärtner hauptsächlich für die Bildungsarbeit zuständig sein. Bei ihrer Vorstellung sagte Wüst, an der Bibel orientierte Bildungsarbeit müsse den ganzen Menschen im Blick haben und nicht seinen ökonomischen Nutzen für die Gesellschaft. Bei den notwendigen Veränderungen in der Kirche spiele Bildung eine Schlüsselrolle. Eine klare Bildungskonzeption der Kirche könne der Vergewisserung nach innen und der Profilierung nach außen dienen. Es sei notwendig, eine Gesamtschau der Bildungsarbeit zu erstellen. In dem Bereich sei in der Kirche viel Spielraum für mehr Zusammenarbeit. Bei allen Veränderungen in der Kindertagesstätte, in der Schule, in der Gemeinde, an der Universität oder am Arbeitsplatz bleibe der kirchliche Auftrag immer derselbe: „Wir haben eine frohe Botschaft, und die gilt es auszurichten.“

Die Landeskirche hat drei geistliche und zwei weltliche Oberkirchenräte. Zusammen mit dem Kirchenpräsidenten als Vorsitzendem bilden sie den Landeskirchenrat, die oberste Behörde der Landeskirche. Die Amtszeit der Oberkirchenräte beträgt sieben Jahre. koc

Eine Botschaft für das ganze Volk

Kirchenpräsident Christian Schad hat die Muslime in Deutschland aufgefordert, entschlossen gegen Fundamentalismus und Antisemitismus vorzugehen. Nur ein den Menschenrechten verbundener Islam gehöre zu Deutschland, ein fundamentalistischer und antisemitischer Islam hingegen nicht, sagte Schad  vor der Synode der Evangelischen Kirche der Pfalz in Kaiserslautern. Die meisten Muslime in Deutschland achteten die demokratische Grundordnung und müssten sich deshalb für eine Erziehung einsetzen, die die Grundrechte anerkennt und die Absage an religiös legitimierte Gewalt einschließt.

Die Kirche müsse aus der Mitte des Evangeliums heraus jeder Hetze gegen Menschen und der pauschalen Abwertung von Religionen widersprechen, sagte Schad. Die Diffamierung des Islams und die Abwertung von Christen und Juden durch islamistische Fundamentalisten habe erschreckend zugenommen. Es gehöre zum Auftrag des Protestantismus als Religion des Wortes, hiergegen die Stimme zu erheben sowie Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entschieden zurückzuweisen.

Die Kirche widerspreche deshalb immer dann, wenn Einzelne oder Parteien schamlos die Spielräume des Denkbaren und Sagbaren dehnten, sagte Schad. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass sich menschenverachtende Meinungen wie ein krank machendes Gift in die Gesellschaft einschleichen. Er betone diesen Mut zur Zeitgenossenschaft gerade deshalb so stark, weil es immer wieder Stimmen aus der Politik gebe, die der Kirche vorwerfen, sich zu sehr tagespolitisch zu äußern. Schon die Befürworter der Kirchenunion von 1818 hätten erkannt, dass das Evangelium eine öffentliche Sache sei, die an das ganze Volk gerichtet werden solle. epd

Christlichen Glauben offen bezeugen

Kirchenpräsident Christian Schad ruft zu klarem Bekenntnis in zunehmend säkularer Gesellschaft auf

Kirchenpräsident Christian Schad hat Christinnen und Christen dazu aufgerufen, in einer zunehmend säkularen Gesellschaft ihren Glauben offen zu bezeugen. Ein christliches Bekenntnis sei auch angesichts kritischer gesellschaftlicher Entwicklungen immer wichtiger, sagte Schad bei einer Podiumsdiskussion vor der Landessynode. Es müsse eine neue Sprache und Form des Glaubens gefunden werden, die auch Kirchenferne anspreche.

Ein klares christliches Bekenntnis sei auch gegen rechtspopulistische „Vereinfacher“ wie die AfD nötig, die den Schutz eines christlichen Abendlands forderten, sagte Schad. Auch dürfe das christliche Kreuz „kein Schwert gegen andere werden“, sagte er mit Blick auf die Kreuzpflicht in bayerischen Behörden. Wenn das zentrale Symbol des Christentums genutzt werde, um andere auszugrenzen, „dann ist das Gotteslästerung“, sagte Schad.

Tradierte reformatorische Bekenntnisschriften müssten, wie es in der Vereinigungsurkunde der Pfälzer Kirchenunion von 1818 heißt, gebührend geachtet werden, sagte Schad. Sie seien zwar der Heiligen Schrift untergeordnet, aber auch „ein Transmissionsriemen, um zu neuen Bekenntnissen zu kommen“.

Auch im Dialog mit Muslimen in Deutschland sei es wichtig, christlich sprachfähig zu sein, ergänzte Horst Gorski, Vizepräsident des Kirchenamts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Bekenntnistexte, die theologische Vorstellungen transportierten, seien auch heute noch prägend. „Sie sind die Wurzeln, die wir brauchen, um im Jetzt und Hier leben zu können“, sagte Gorski, der auch Leiter des Amts der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands ist.

Der reformierte Theologe Michael Beintker appellierte, Christen sollten „Kurzformeln des Glaubens“ einüben. Bekenntnistexte hätten eine geistliche Kraft, die auch Lösungsansätze für heutige Probleme geben könnten. Allerdings hätten sie auch eine Abgrenzungsfunktion, gab Irmgard Schwaetzer, die Präses der EKD-Synode, zu bedenken. Die meisten Menschen könnten mit historischen reformatorischen Bekenntnisschriften nichts mehr anfangen. Protestanten sollten nicht die Brille der Bekenntnisse aufsetzen, sondern die Bibel lesen, empfahl Schwaetzer, die sich als Unionskind im Geiste der Pfälzer Union bezeichnete. Für Christen sei es heute vielmehr eine Aufgabe, glaubhaft über ihr persönliches Bekenntnis sprechen zu können. epd

Spaltung mit Blick aufs Evangelium überwunden

Theologe Michael Beintker sieht die protestantischen Kirchenunionen als Schrittmacher der Ökumene an

Der reformierte Theologe Michael Beintker hat die protestantischen Kirchenunionen des frühen 19. Jahrhunderts als „Vorboten des ökumenischen Aufbruchs“ bezeichnet.

Indem lutherische und reformierte Protestanten die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft wie 1818 bei der Pfälzer Kirchenunion eingingen, seien sie ein „Schrittmacher der Ökumene“ gewesen. Das sagte der ehemalige Direktor des Seminars für Reformierte Theologie an der Universität Münster beim Schwerpunkttag der Landessynode mit dem Thema „200 Jahre Pfälzische Kirchenunion“. Erst 1973 hätten sich die evangelischen Kirchen in Europa gegenseitig zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft eingeladen.

Die Kirchenunion in der Pfalz sei eine Konsensunion gewesen, die von vielen Gläubigen gewünscht gewesen sei, sagte Beintker. Dabei seien die konfessionellen Traditionen von Reformierten und Lutheranern in einem neuen Gemeindetyp verschmolzen. Die Spaltung der reformatorischen Bewegung sei als eine Fehlentwicklung gesehen worden. In gemischtkonfessionellen Regionen wie der Pfalz habe sich der Blick zunehmend auf das Verbindende, das Evangelium, gerichtet. Die meisten Menschen hätten zudem die theologischen Unterschiede zwischen Lutheranern und Reformierten nicht mehr verstanden.

Zum Charme der Pfälzer Union habe es gehört, dass sie nicht einfach von der Obrigkeit verordnet worden sei. Vielmehr sei sie durch eine Abstimmung in den Kirchengemeinden eingeführt worden. Mit einer Zustimmung von 98,66 Prozent sei das Votum sensationell gewesen, sagte der Theologe. König Maximilian I. Joseph von Bayern habe Geburtshilfe geleistet. Er hatte die Abstimmung angeordnet.

Gegen die Kirchenunionen des frühen 19. Jahrhunderts in Deutschland habe sich jedoch bald Widerstand geregt, sagte Beintker. Bis heute gebe es in der evangelischen Kirche Gegenwind gegen Kirchenunionen. Darauf sollte man mit Gelassenheit reagieren. Zu den „Schrittmacherdiensten“ einer Kirchenunion gehöre es, den ohne konfessionellen Zusatz geführten Begriff des Evangelischen mit Inhalt zu füllen. epd

Nichtchristen dürfen in Landeskirche und Diakonie mitarbeiten

Synode klärt arbeitsrechtliche Bedingungen – Kleine Kirche jetzt Unionskirche – Schad: „Hitler-Glocke“ abhängen – Sparkurs wird fortgesetzt

Anlässlich des Jubiläums 200 Jahre Pfälzer Kirchenunion ist die Kleine Kirche Kaiserslautern in Unionskirche Kaiserslautern umbenannt worden. Die Landessynode hat im Gottesdienst zum Beginn ihrer Frühjahrstagung diesen Schritt gewürdigt. In der ehemals lutherischen Kirche wurde 1818 die Verbindung der lutherischen und reformierten Kirche zur pfälzischen Landeskirche unterzeichnet. Er hoffe, die Synode lasse sich von der Aufbruchstimmung dieser Zeit inspirieren, sagte Synodalpräsident Hermann Lorenz.

Die Synode hat die Bedingungen klargestellt, unter denen nicht christliche Mitarbeiter in Kirche und Diakonie eingestellt werden können. Durch die Gesetzesänderung werde deutlicher als bisher hervorgehoben, dass für Aufgaben, die nicht zur Verkündigung, Seelsorge, christlichen Unterweisung und Leitung gehören, auch Nichtchristen eingestellt werden dürften, sagte Oberkirchenrat Dieter Lutz. Ungeachtet ihrer Religionszugehörigkeit hätten aber alle Mitarbeiter Anteil an der Erfüllung des kirchlichen Auftrags.

Die Einstellung von Mitarbeitern, die nicht der Kirche angehören, könne vertretbar sein, wenn ihr kultureller Hintergrund für die Arbeit sinnvoll sei. Das gelte etwa für die Begleitung muslimischer Kinder in Kindertagesstätten, sagte Lutz. Die beschlossene Ergänzung stelle auch klar, dass Nichtchristen eingestellt werden dürfen, wenn keine geeigneten christlichen Bewerber zu gewinnen seien. Das Grundgesetz räumt den Kirchen ein Selbstbestimmungsrecht ein, das auch die Einstellung von Mitarbeitern umfasst. Der Europäische Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber nicht pauschal eine Kirchenmitgliedschaft verlangen dürfen. Bei einer solchen Anforderung müsse ein direkter Zusammenhang zwischen der Konfession und der Tätigkeit bestehen.

Kirchenpräsident Christian Schad hat die Kirchengemeinde Herxheim am Berg aufgefordert, die sogenannte „Hitler-Glocke“ aus dem Turm ihrer Kirche entfernen zu lassen. Wenn sich Opfer und Nachkommen des NS-Regimes durch das Läuten der Glocke mit einem Hakenkreuz und der Inschrift „Alles ­fuer’s Vaterland – Adolf Hitler“ verhöhnt fühlten, sei es höchste Zeit, sie zu entfernen und einer angemessenen Erinnerungskultur zuzuführen, sagte Schad.

Zum Abschluss der Tagung kündigte Oberkirchenrätin Karin Kessel weitere Sparmaßnahmen an. Für 2018 rechne die Landeskirche mit 126,5 Millionen Euro nochmals mit Kirchensteuereinnahmen wie 2017, sagte Kessel bei der Vorstellung der mittelfristigen Finanzplanung. Danach gehen die Prognosen davon aus, dass die Steuereinnahmen pro Jahr um 0,5 Prozent sinken. Bis 2024 sehen die Prognosen ein jährliches Minus im Haushalt von fast elf Millionen Euro vor. Neben sinkenden Einnahmen seien dafür vor allem steigende Personalkosten verantwortlich. koc

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