Nur ein Brotstempel als Nachweis

Christentum in der spätantiken Pfalz ist kaum erforscht – Speyerer Schau über christlichen Römerkaiser

Toleranter Imperator: Kuratorin Melanie Herget vor dem Porträtkopf eines Römerkaisers. Er stellt wohl Valentinian dar. Foto: Landry

Einziger Nachweis für frühes Christentum in der Pfalz: Der Eisenberger Brotstempel. Foto: Landry

Nur 5,2 mal 4,2 Zentimeter groß ist der einzige Nachweis des frühen Christentums in der Pfalz: der Brotstempel von Eisenberg aus dem 4. Jahrhundert. Vor genau 100 Jahren, 1919, entdeckte der ehemalige Direktor des Historischen Museums der Pfalz in Speyer, Friedrich Sprater (1884 bis 1952), das rechteckige Tonplättchen bei der Ausgrabung einer römischen Militäranlage in der nordpfälzischen Stadt. Der Stempel, dessen Vorderseite ein Christogramm und die Rückseite ein halber Kreuzbalken ziert, diente zum Prägen von Abendmahlbrot. Auf den Kanten steht auf Lateinisch: „Ad panem pingere – utere felix“ (Auf das Brot zu drücken – Gebrauche es glücklich).

Wie der frühchristliche Brotstempel seinen Weg in die Region fand, ob durch römische Soldaten oder durch Händler, bleibt im Dunkeln, erläutert Melanie Herget. Sie ist Kuratorin der Ausstellung „Valentinian I. und die Pfalz in der Spätantike“ im Historischen Museum der Pfalz in Speyer, die noch bis 11. August zu sehen ist. Die kleine, aber informative Schau streift auch die Anfänge des Christentums in der Region in dieser Umbruchszeit. Und sie macht deutlich, dass Archäologen und Historiker bisher nur wenig darüber wissen, wie der christliche Glaube mit den Römern an den Rhein kam, wie er gelebt wurde und sich weiter ausbreitete. Anders als in anderen frühen christlichen Zentren wie Trier und Köln gibt es für die Pfalz nur verhältnismäßig wenige Funde mit christlichen Symbolen, Beschriftungen oder Bildern. Bis in das 5. und 6. Jahrhundert finden sich heidnische und christliche Traditionen nebeneinander.

Nachdem der römische Kaiser Flavius Valentinianus (321 bis 375) im Jahr 367 seine Hauptresidenz nach Trier verlegte, erfuhr die Pfalz eine kurze wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Das Hauptverdienst seiner zwölfjährigen Herrschaft war es, die Rheingrenze seines Reichs gegen die Angriffe der Alamannen zu sichern. Obwohl kein anderer römischer Kaiser sich häufiger in der Pfalz aufhielt als der im heutigen Kroatien geborene Imperator, ist er doch allgemein nur wenig bekannt. Von Trier aus überschritt Valentinianus jeden Sommer mit seinen Truppen den Rhein, führte Feldzüge gegen die germanischen Feinde und überwachte ein Festungsbauprogramm – verbürgt ist sein Besuch im Jahr 369 in Altrip bei Ludwigshafen.

Zu Unrecht gilt die Spätantike als eine Zeit des Niedergangs und des Verfalls, macht Herget deutlich, die die Sammlung zur Römerzeit des Museums leitet. Aktuelle Forschungsergebnisse bezeugten vielmehr, dass die Pfalz eine dicht besiedelte Landschaft mit zahlreichen Städten, befestigten Siedlungen und landwirtschaftlichen Betrieben gewesen sei. Erst im 5. Jahrhundert habe die Hochphase der Römer am Rhein mit dem Zusammenbruch ihrer Verwaltung in Gallien geendet.

Wie die meisten römischen Kaiser war auch Valentinian, der aus einer Offiziersfamilie stammte, ein Christ. Obwohl er viele Maßnahmen seines Vorvorgängers Julian (330 bis 363) zur Stärkung traditioneller Kulte zurücknahm, sei der wohl grobschlächtige und wenig gebildete Regent religiös tolerant gewesen, sagt Herget. Mit seinem Bruder Valens als Mitkaiser teilte er sich die Macht und herrschte über den Westteil des Reichs. Der wichtigste römische Geschichtsschreiber dieser Zeit, Ammianus Marcellinus, schrieb: „Seine Regierung wurde durch eine maßvolle Haltung in Religionsstreitigkeiten berühmt, in denen er eine unparteiische Haltung einnahm.“ Bereits ab 312 hatte sich Kaiser Konstantin der Große (272 bis 337) dem Christentum zugewandt und eine entscheidende Wende in der Religionspolitik eingeleitet. Das Christentum wurde nach und nach zu einer anerkannten und zunehmend geförderten Religionsgemeinschaft. Doch auch in der Pfalz existierten traditionelle Kulte wie der Mithraskult um den „unbesiegten Sonnengott“ und der neue christliche Glaube zunächst nebeneinander.

Im Jahr 325 ließ ein Mann namens Faustinus auf seinem Privatgrundstück bei Neustadt-Gimmeldingen einen neuen Tempel für den Gott Mithras errichten. Erst 380, fünf Jahre nach Valentinians Tod, wurde das Christentum zur alleinigen römischen Staatsreligion erhoben. Die anderen Kulte wurden verboten, ihre Heiligtümer und Tempel zerstört. Andersgläubige, so ordnete Kaiser Theodosius I. (347 bis 395) an, seien als Ketzer zu verfolgen.

Keineswegs sicher sei, ob die meisten Menschen in der Pfalz zur Zeit Valentinians Christen waren, sagt Kuratorin Herget. Nicht zweifelsfrei belegen lasse sich, ob Speyer und Worms während des 4. Jahrhunderts Bischofssitze gewesen seien. Erst ab dem 7. Jahrhundert sei ein Bischof in Speyer nachweisbar. Frühmittelalterliche Namenslisten, die für Speyer einen Bischof „Iesse“ und für Worms einen „Victor“ erwähnen, seien Fälschungen, sagt sie.

Mit Ausnahme der Trierer Basiliken gebe es in Rheinland-Pfalz aus dem 4. Jahrhundert keinen einzigen gesicherten Kirchenbau. „Wir wissen auch nicht, wie die Kirchen aussahen“, sagt Herget. Möglicherweise seien die ersten Gotteshäuser aus Holz gezimmert gewesen und längst zerfallen. Christliche Versammlungsorte könnte es aber in anderen Räumlichkeiten oder in Privathäusern gegeben haben, die allerdings bei Ausgrabungen kaum als solche erkennbar seien: Eine Apsis, ein Kuppelbau, könne auch ein heidnischer Tempel – oder ein Bad – gewesen sein.

Mehr Schatten als Licht zeigen auch manche archäologische Funde, die sich nicht eindeutig den Christen zuweisen lassen: Die Speyerer Schau präsentiert eine kleine Kalksteinsäule mit einem Staurogramm – einem Buchstabensymbol für Jesus Christus – auf der Oberseite. Gefunden wurde sie in der Nähe des heutigen Speyerer Kaiserdoms, wo sich in römischer Zeit eine Befestigung befand. Ungeklärt bleibt, ob sie möglicherweise einer frühen christlichen Gemeinde als Altartisch oder Tragaltar diente.

In seiner christlichen Deutung als Friedens- und Freiheitssymbol unsicher ist auch ein eleganter Silberlöffel mit Taubenmotiv aus dem 4. Jahrhundert, der in einem Grab in Eßweiler im Landkreis Kusel gefunden wurde. „Luciliane vivas“ (Lucillianus, Du mögest leben) steht dort eingraviert. Überdies ist die zeitliche Datierung der Funde häufig problematisch. Ein Grabstein mit einem Kreuz aus Bad Dürkheim etwa ist zeitlich nicht genauer einzuordnen.

Auch die römische Grabkultur in spätantiker Zeit gibt kaum Hinweise auf die Ausübung der christlichen Religion. Körpergräber waren die Regel, doch noch immer gab es traditionelle Brandbestattungen. Als Ursache für die weitgehende Aufgabe der Brandbestattung gilt Forschern hingegen nicht mehr die Ausbreitung des Christentums. Der Wandel in der Bestattungskultur habe deutlich vor der Christianisierung der Gebiete nördlich der Alpen eingesetzt.

Müßig scheint es daher, den Grad der Durchdringung der damaligen Bevölkerung in der Pfalz mit dem christlichen Glauben abschätzen zu wollen, bilanziert der Kölner Archäologieprofessor Sebastian Ristow in einem Beitrag für den Ausstellungskatalog. Unklar bleibe, ob zehn Prozent, ein Drittel oder gar mehr als die Hälfte der Bewohner dem knapp 400 Jahre zuvor geborenen Jesus Christus folgten: „Man darf gespannt sein, ob und wie sich die frühchristlichen Befunde und Funde in Zukunft vermehren werden.“ Alexander Lang

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