Nervenzerrende Hängepartie

Die Zukunft des wirtschaftlich angeschlagenen Landesvereins für Innere Mission in der Pfalz ist ungewiss

Sanierungsfall: Durch die Probleme seines Zweibrücker Krankenhauses ist der Landesverein in eine Schieflage geraten. Foto: Moschel

Mit Hoffen und Bangen schauen viele Beschäftigte des Landesvereins für Innere Mission in der Pfalz (LVIM) in die Zukunft. „Noch vor Weihnachten“, kündigte Diakoniedezernent Manfred Sutter als Verwaltungsratsvorsitzender kürzlich an, solle eine Rettung für den wirtschaftlich angeschlagenen diakonischen Träger mit Sitz in Bad Dürkheim in trockenen Tüchern sein. Derzeit verhandelt der Landesverein mit den Diakonissen Speyer-Mannheim über eine Fusion: Das Zusammengehen mit dem erfolgreichen diakonischen Träger soll Arbeitsplätze retten.

Wohin treibt der Landesverein mit seinen rund 1700 Mitarbeitern und vor allem: Was soll mit seinem evangelischen Krankenhaus in Zweibrücken geschehen, dessen Existenz bedroht ist? Das sind die drängenden Fragen in einem in der Öffentlichkeit für Aufsehen sorgenden kirchlichen Trauerspiel. Dabei geht es um Fehlentscheidungen von kirchlichen Managern, schlechte Kommunikation zwischen Unternehmensspitze und Belegschaft sowie mangelnde Kont­rolle durch Aufsichtsgremien.

Die Ereignisse beim Landesverein sind eine Hängepartie, die bis in die Amtszeit des früheren Kirchenpräsidenten Eberhard Cherdron und des ehemaligen Vorstands Pfarrer Rolf G. Freudenberg zurückreichen. Jahrzehntelang habe der diakonische Träger nicht erfolgreich gearbeitet und habe beträchtliche Rücklagen aufgebraucht, informiert Diakoniedezernent Sutter. Seit 2010 bemüht er sich in seiner Eigenschaft als „ehrenamtlicher“ Verwaltungsratsvorsitzender um eine Schadensbegrenzung und versucht den strauchelnden Landesverein wieder auf die Beine zu stellen.

Besonders schwer wiegt die Situation beim Zweibrücker Krankenhaus des Landesvereins, wo ein Investitionsstau von 50 Millionen Euro entstanden ist. Ein Wechsel von Chefärzten sorgte überdies für einen Belegungseinbruch. Für das laufende Jahr rechnet die Klinik mit einem Minus von drei bis vier Millionen Euro. Vor allem „Managementfehler“ unter seinen Vorgängern hätten dazu geführt, dass das Zweibrücker Haus mit seinem rund 450 Arbeitsplätzen bedroht sei, beklagte Sutter. Vor der Landessynode in Speyer räumte der im Zusammenhang mit seinem Aufsichtsamt selbst in die Kritik geratene Oberkirchenrat auch eigene Fehler ein. Momentan verhandelt der Landesverein über eine „Verbundlösung“ des Krankenhauses in Zweibrücken mit dem dort ebenfalls angesiedelten katholischen Nardini-Klinikum. Der Ausgang ist offen. Die Gespräche der beiden langjährigen Konkurrenten seien auf gutem Weg, die Landesregierung habe Unterstützung zugesagt, sagt der für weitere sieben Jahre wiedergewählte Oberkirchenrat. Auch gebe es „einen Plan B“, wenn es zu keiner Lösung komme. Wie dieser Plan aussieht, will Sutter allerdings nicht verraten.

Altkirchenpräsident Cherdron weist den Vorwurf zurück, schwere Fehlentscheidungen der Unternehmensleitung hätten den Landesverein in die Krise geführt. Bis Mitte der 1990er Jahre habe der diakonische Träger „halbwegs ordentlich gearbeitet“, sagt Cherdron, der von 1996 bis 2010 Verwaltungsratsvorsitzender war und seit 1980 dem Vorstand angehörte. Wirkliche Probleme seien durch neue gesetzliche Regelungen zur Krankenhausfinanzierung sowie durch Konkurrenz zu privaten Betreibern aufgetreten. Der Landesverein hätte wohl früher Personalkosten einsparen müssen, räumt Cherdron ein. Die Entscheidung zur grundlegenden Sanierung des Zweibrücker evangelischen Krankenhauses sei herausgezögert worden, weil es keine klaren Konzepte für den dortigen Krankenhausstandort gegeben habe. Ein Krankenhausverbund sei die Lösung: „Wir brauchen größere Einheiten, um auf dem sozialen Markt bestehen zu können.“

Der für Rechtsfragen zuständige Oberkirchenrat Dieter Lutz macht deutlich, dass im Falle einer möglichen Insolvenz des LVIM die Landeskirche und ihre Diakonie nicht finanziell haften müssten. Allerdings stünde es der Kirche frei, dann „freiwillige Leistungen“ zu erbringen, sagt Lutz. Auf Kritik von Synodalen zur Zusammensetzung und Kompetenz des LVIM-Verwaltungsrats entgegnete Kirchenpräsident Christian Schad, der Staat fordere die Entsendung von Kirchenvertretern in Aufsichtsgremien von diakonischen Trägern. Dadurch werde die „Kirchlichkeit“ von diakonischen Einrichtungen überprüft.

Dekan Stefan Dominke, der für den Kirchenbezirk Donnersberg in der Synode sitzt, kritisiert, dass viele Menschen nicht zwischen einem Träger und der Institution Kirche unterscheiden würden: Für Fehler eines diakonischen Unternehmens werde „die Kirche“ pauschal verantwortlich gemacht. Zudem mache eine mangelnde Transparenz von Entscheidungsprozessen wie im Falle des Landesvereins die Kirche in der Öffentlichkeit unglaubwürdig.

Eine Ämterverflechtung von Kirche und Diakonie hatte kürzlich die Gesamtmitarbeitervertretung der Diakonie beklagt. Diese könne zu Interessenskonflikten führen, auch weil die diakonischen Träger auf dem sozialen Markt in Konkurrenz stünden. Mittlerweile trat der Vorsitzende der Gesamtmitarbeitervertretung, Michael Hemmerich, von seinem Amt zurück. Seine Entscheidung stehe nicht im Zusammenhang mit der Kritik der Mitarbeitervertretung am Landesverein, ließ er wissen. Das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium bestätigt, dass das Land die Kooperation beider Krankenhäuser in Zweibrücken mit Mitteln aus dem Kranken­hausstrukturfonds unterstützen wol­le. „Weitere konkrete Schritte müssen jetzt geplant werden“, sagt eine Sprecherin.

Zwei Vertreter der Speyerer Diakonissen, die rund 4300 Mitarbeitende haben, übernahmen bereits die Geschäftsführung des Landesvereins, der neben zwei Krankenhäusern unter anderem auch neun Altenhilfeeinrichtungen betreibt. Zuvor war Pfarrer Rainer Wettreck, der nur zwei Jahre lang als Vorstandssprecher des Landesvereins agierte, „auf eigenen Wunsch“ ausgeschieden. Derzeit überprüfen Gutachter die Bilanzen beider Träger, um die Möglichkeiten eines Zusammengehens auszuloten. Bei einer Fusion mit den Diakonissen würde der Landesverein aufgelöst werden, kündigt Oberkirchenrat Sutter an. In der Vergangenheit waren mehrere Fusionsgespräche gescheitert.

Ein Stolperstein für eine Fusion könnte letztlich die kritische Situation des Zweibrücker Krankenhauses sein: Zwar hat sich der Verwaltungsrat der Diakonissen, dessen Vorsitzender Kirchenpräsident Schad ist, für ein Zusammengehen mit dem Landesverein ausgesprochen. Dennoch gibt es in der Diakonissen-Belegschaft die Befürchtung, dass man dadurch selbst in eine wirtschaftliche Schieflage geraten könnte.

Eine Arbeitsgruppe des Landesvereins und der Diakonissen erarbeite unter Beteiligung des Gesundheitsministeriums ein Konzept zur Neuausrichtung der stationären Versorgung am Standort Zweibrücken, informieren der Landesverein und das Nardini-Klinikum. Bei der Frage, was im Falle einer möglichen Insolvenz des Landesvereins mit seinem Kapital geschehen würde, müssten „vielfältige gesellschafts-, steuer- und gemeinnützigkeitsrechtliche Aspekte betrachtet werden“, teilte der Landesverein dem Kirchenboten mit.

Wie das Nervenspiel um den Landesverein gelöst wird, ist der hoffenden und bangenden Belegschaft des Zweibrücker Krankenhauses ziemlich egal. „Hauptsache, die Arbeitsplätze bleiben erhalten“, bringt es die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung, Silvia Bezold, auf den Punkt. Alexander Lang

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