Musikalische Mehrkämpfer gesucht

Kantorat in Südpfalz nach langer Vakanz besetzt – EKD-weit hauptamtliche Kirchenmusiker Mangelware

Leistet von Kandel aus Aufbauarbeit: Bezirkskantor Wolfgang Heilmann. Foto: Iversen

Bad Bergzabern-Germersheim, das neueste Kantoratskonstrukt mit Dienstsitz in Kandel, das eines Tages Bezirkskantorat Südpfalz heißen könnte – zum Beispiel –, ist seit 1. Oktober wieder in trockenen Tüchern. Mit Wolfgang Heilmann steht ein neuer Kantor an den Pulten: jung, profiliert, versiert, durchaus auch im Pfälzer Zungenschlag, und künftig künstlerisch, liturgisch, pädagogisch und administrativ tätig.

Das Ganze hatte einen langen Vorlauf, der wohl teils der regionalen Neuausrichtung geschuldet ist. So wurde 2014 Pirmasens aus dem traditionellen Doppelkantorat mit Bad Bergzabern entlassen und Letzteres mit Germersheim fusioniert. Dies wiederum entlastet Speyer, das gemessen an den zu betreuenden Gemeindemitgliederzahlen bis dato einsam an der Spitze lag.

Dass die zweite Runde der Kandidatenkür für den neu geschaffenen Amtsbereich nach dem Weggang des Amtsvorgängers auf dieser Stelle nach nur rund einem Jahr nicht einfach werden würde, war vielen Beteiligten klar; zumal angesichts eines Stellenprofils, das Schwierigkeiten durch lokale Verzweigung, noch dazu in verschiedenen Kirchenbezirken, und offensichtlichen Bedarf an grundlegender Aufbauarbeit signalisiert. Dass die Bewerberzahl sich praktisch gegen null bewegte, hat indes grundlegende Ursachen. Sie betreffen die Situation der hauptamtlichen Kirchenmusik, quer durch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD).

Oberkirchenrat Manfred Sutter, seit rund zehn Jahren Dezernent für Kirchenmusik in der Landeskirche, erinnert sich noch an Zeiten aus seinem Bad Bergzaberner Dekanatsamt: „Da habe ich wäschekörbeweise Bewerbungen auf die Kantorenstelle weitergeleitet.“

Tatsächlich, so bestätigt es auch Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald, habe sich die Entwicklung, bedingt auch durch die geburtenschwachen Jahrgänge, dramatisch verschoben. Für eine vergleichsweise große Zahl an offenen Stellen im Bereich Kirchenmusik stehen nur wenige wirklich qualifizierte Anwärter zur Verfügung. Dieser Trend, der sich bei den einschlägigen Stellenbesetzungen innerhalb der Landeskirche während der letzten Jahre verstärkt hat, spiegelt durchaus die EKD-weite Situation und ist unter anderem an den in Fachzeitschriften teils über einen längeren Zeitraum annoncierten Stellen nachzuvollziehen.

Dabei ist die Kirchenmusik im gesamtkirchlichen Kontext ein Wachstumszweig – und die pfälzische Landeskirche spielt hinsichtlich ihres beachtlichen Aufgebots an Chören und Ensembles in der Oberliga mit; Sänger und Musiker stellen mit Abstand den dichtest besiedelten und publikumswirksamsten Ehrenamtsbereich. Und tatsächlich scheint sich aktuell eine leichte Umkehr im Attraktivitätstrend des Berufsbilds Kantor abzuzeichnen.

Jens Wollenschläger etwa, Professor für Orgel an der Evangelischen Kirchenmusikhochschule Tübingen, meldet für das kommende Wintersemester erstmals wieder eine Überbelegung der vorgehaltenen Studienplätze. Die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt ist mit dem personellen Ausbau ihrer kirchenmusikalischen Studiengänge Beispiel dafür, dass auch staatliche Hochschulen ihre Kapazitäten aufrüsten. „Wir werden zukünftig mit Sicherheit mehr Studienplätze brauchen“, ist sich Manfred Sutter gewiss. „Und da unsere Landeskirche über kein entsprechendes Angebot verfügt, wird man möglicherweise eines Tages, wie in anderen Bereichen auch, über Mitfinanzierung via EKD-Schlüssel nachdenken müssen. Denn wir sind ja schließlich Nutznießer.“

15 hauptamtliche Bezirkskantorenstellen, dazu einen Landesposaunenwart und den Landeskirchenmusikdirektor als höchsten kirchenmusikalischen Administrator: Dass dies alles 100-Prozent-Stellen sind, vermerken beide Gesprächspartner nicht ohne Stolz. Denn auf EKD-Ebene sind nur knapp 60 Prozent der Kantorenstellen mit vollem Dienstauftrag ausgestattet. Mit der Entlohnung – A13 für A-Kantoren, A11 für B-Absolventen – bewege man sich im „soliden Mittelfeld“. Durch kompetente Beauftragungen habe man besondere Bereiche wie etwa die Kinderchorarbeit oder die Popularmusik zusätzlich gestärkt.

Dennoch kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die pfälzische Landeskirche mit ihrem Stellenaufgebot im Aufmarsch der Landeskirchen das matte Schlusslicht hält. Jochen Steuerwald hat Zahlen parat: Demnach kommen auf eine Kantorenstelle in der Pfalz 38200 Gemeindemitglieder, in der badischen Landeskirche sind es 21900, in der Evangelischen Kirche im Rheinland 15600 und in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau 14300. EKD-weit liegt der Schnitt bei 16300. Das sind ernüchternde Vergleiche. „Am Ausbau der hauptamtlichen Ausstattung müssen wir arbeiten“, bekräftigt Sutter, warnt aber gleich vor übertriebenen Hoffnungen. „Keinesfalls will ich das als Forderung verstanden wissen, den schrittweisen Prozess dahin allerdings nach Kräften unterstützen.“

Zwar entspanne die große Anzahl an nebenamtlichen Kirchenmusikern die Situation merklich, was nicht zuletzt ein Resultat des gut aufgestellten pädagogischen Angebots der kirchenmusikalischen Seminare vor Ort sei, sagt Jochen Steuerwald. Während allerdings die Süd- und Vorderpfalz gut bedient sei, sei die Versorgungslage in der Nord- und Westpfalz schwieriger, gerade im ländlichen Umfeld. „Wir wissen sehr wohl, dass manche kirchenmusikalischen Felder brachliegen“, sagt Steuerwald. „Das bleibt eine Herausforderung in Richtung Zukunft.“ Gertie Pohlit

Von Dürkheim in die Südpfalz

Mit Wolfgang Heilmann hat sich ein junger Vorderpfälzer auf den Weg gemacht, die Kirchenmusik Bad Bergzabern und Germersheim im Ende 2015 neu geschaffenen Kantorat zu beleben und zusammenzuführen.

Aufgewachsen in einer Bad Dürkheimer Arztfamilie zusammen mit vier Geschwistern, hat der 27-Jährige so ziemlich alles ausgeschöpft, was im kirchenmusikalischen Topf für einen hochbegabten Jugendlichen zubereitet ist: mit sechs Jahren Mitglied der Kurrende an der Schlosskirche, Posaunenchor, Klavier- und Orgelunterricht, Mitglied der Evangelischen Jugendkantorei, Kirchenmusikalisches Seminar und 2009 Abschluss der C-Prüfung mit dem Prädikat „sehr gut“.

Nächste Stationen waren die Musikhochschule Stuttgart, ein Kirchenmusikstudium mit Master-Abschluss unter anderem bei Ludger Lohmann sowie Mitglied in bekannten Ensemb­les wie dem Württembergischen Kammerchor, dem Kammerchor der Musikhochschule und Philharmonia Chor Stuttgart sowie dem Arnold-Schoenberg-Chor Wien.

Praktische Erfahrung als Chorleiter hat Wolfgang Heilmann schon im Abiturjahr 2010 in Herxheim am Berg gesammelt, während des Studiums dann in Kirchberg an der Murr, als Regionalkantor für St. Fidelis in Stuttgart und im kirchenmusikalischen Praktikum in Nürtingen.

Eine hohe integrativ-soziale Kompetenz spiegelt sich in seinem Engagement als Organisator des Tags für Kirchenmusik und Mitglied des Fakultätsrats, der Studienkommission Kirchenmusik und des Senats der Musikhochschule Stuttgart. gpo

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