Mehr Zeit für Gemeindemitglieder

Mit dem Modell der Standardassistenz will die Landeskirche in den kommenden Jahren Pfarrer entlasten

Kümmert sich von Blieskastel aus um die Büroarbeit von vier Pfarrämtern in der Kooperationsregion: Heike Friedrich. Fotos: Moschel

Wenn Monika Hardies freitagnachmittags zu Hause in Ilbesheim bei Kirchheimbolanden aus ihrem grünen Seat Alhambra steigt und ihr Wochenende beginnt, liegen rund 120 Kilometer hinter ihr. Dabei hat sie sich beruflich aus dem Dekanat Donnersberg gar nicht fortbewegt. Allerdings hat die Pfarrsekretärin innerhalb von sieben Tagen wieder einmal Arbeit für insgesamt 17 Kirchengemeinden gemacht. Dafür saß sie in acht Pfarrämtern an acht verschiedenen Schreibtischen, hat acht unterschiedliche Pfarrer und Pfarrerinnen getroffen, von Albisheim bis Zellertal.

Seit 2015 erprobt die Evangelische Kirche der Pfalz die sogenannte Standardassistenz. Eine halbe Verwaltungskraft kümmert sich dabei in mehreren Gemeinden einer Kooperationsregion um Büroarbeit. Pfarrer sollen so mehr Zeit für die Seelsorge in ihren Gemeinden erhalten.

Denn die Klagen wegen des Verwaltungsaufwands nehmen zu. Dabei gehe es nicht darum, dass die Bereitschaft fehle, sich um innerkirchliche Statistiken oder Rechnungen zu kümmern, sagt Dagmar Peterson, Beauftragte der Landeskirche für die Koordinierung und Leitung der Gemeindeberatung. Vielmehr sei ein Unwille zu spüren, wenn dadurch Zeit für die Gemeindearbeit verloren gehe. Auch weil die Büroarbeit wächst. Ausschreibungen für Bauangelegenheiten müssen EU-weit erfolgen, die Auflagen für den Gesundheits- und Brandschutz in Kindertagesstätten werden erhöht. Dazu kommt die angespannte Personalsituation. „Wir müssen bei immer weniger Pfarrstelleninhabern die Verwaltung so gestalten, dass sie leistbar ist“, sagt Peterson.

Weil die Zeit drängt, wurde dieses Projekt aus dem Impulspapier „Gemeinde geht weiter“ früher gestartet und evaluiert als andere, erklärt sie. Nach einer ersten Pilotphase zweier Modelle in den drei Kooperationsregionen Kirchheimbolanden, Bliesgau und Bad Dürkheim sind die Rückmeldungen von Dekanen, Standardassistenten und Verwaltungsämtern durchweg positiv, sagt Peterson. Finanziell gesehen ist das Modell für die Kirchengemeinden durchaus attraktiv, da die Landeskirche 50 Prozent der Kosten trägt. Bis zu 120­000 Euro schießt die Landeskirche dafür pro Jahr zu, maximal zehn Kooperationsregionen können pro Jahr dazukommen, um den Übergang zu bewältigen. Trotzdem ist der Eigenanteil auch so für viele Gemeinden immer noch hoch. Ob sich eine Kooperationsregion die Stundenzahl der Bürokraft und damit die Bezahlung gleichmäßig teilt oder je nach Pfarreigröße unterschiedlich einsetzt, ist deshalb den Beteiligten vor Ort überlassen.

An die Hand bekommen die Bürokräfte einen Aufgabenkatalog. Damit sollen die Verwaltungsaufgaben standardisiert werden. Spendenbescheinigungen bekommen so beispielsweise ein einheitliches Aussehen. „Dadurch sind die Pfarrer nicht automatisch außen vor, sie delegieren immer noch“, sagt Peterson. Der Workflow werde aber verbessert. Für Hardies bedeutet das in der Praxis allerdings nicht, überall dasselbe zu tun. Während sie in der einen Gemeinde die Kirchenbücher führt, gibt es ­andere Pfarrer, die das lieber selbst erledigen, schildert die 44-Jährige. „Mir hat einer gesagt, es bleibt ihm dann besser im Gedächtnis.“ Albisheim hat wiederum wegen des Kindergartens beim Thema Büroarbeit einen speziellen Schwerpunkt.

Und während in einigen Orten der Pfarrer mit im Haus bleibt, arbeitet Hardies in anderen Pfarrämtern nach einer Übergabe allein. Einen Schlüssel hat sie nicht. „Ich wollte auch gar keinen, die Büros sind ja meistens im Pfarrhaus“, sagt Hardies. Was aber auch heißt, dass sie nicht in die Büros kommt, wenn der Pfarrstelleninhaber im Urlaub ist oder krank. In solchen Fällen pflegt sie Kirchendaten von zu Hause ein oder füttert den Kirchenplaner mit Terminen. Wird Hardies krank, bleibt die Arbeit liegen, wenn sich die Pfarrer nicht darum kümmern. Eine Vertretung hat sie nicht. Weshalb in solchen Fällen durchaus viel Arbeit anfallen kann. Das musste etwa Sandra Becker in der Kooperationsregion Bad Dürkheim feststellen, die dort von Gemeinde zu Gemeinde fährt.

In der Kooperationsregion Bliesgau erledigt Heike Friedrich die Arbeit für vier Pfarrämter von Blieskastel aus. Dies wird dort allerdings schon seit Einführung des Verbandspfarreimodells in den 1970er Jahren so gehandhabt, sagt der Zweibrücker Dekan Peter Butz. Damals wurde dies komplett von der Landeskirche bezahlt. Als die Finanzierung wegfiel, behielten die Gemeinden dies mit einem stark reduziertem Stundenumfang bei. „Das war schon ein Kampf finanziell“, erinnert sich Pfarrer Matthias App. Die 50-Prozent-Finanzierung der Landeskirche ermöglichten jetzt, von zwölf auf 19,5 Stunden zu gehen, nicht alle Kirchengemeinden können sich aber de facto daran beteiligen, sind nur symbolisch im Pilotprojekt dabei, sagt App. „Viele können ja noch nicht einmal die Instandhaltungsrücklage aufbringen.“

Trotzdem liegen Dagmar Peterson nach der Ausschreibung Mitte März ­bereits zwei weitere Anträge auf eine Standardassistenz vor, telefonisch nachgefragt und Interesse bekundet haben weitere vier Regionen, darunter Kusel. „Mehrere Presbyterien haben bereits der Errichtung zugestimmt“, sagt Dekan Lars Stetzenbach. Die Finanzplanung der Landeskirche ist so gestaltet, dass sich theoretisch alle Kooperationsregionen irgendwann an dem Modell beteiligen können. In acht Jahren wären dann alle Pfarrämter angeschlossen. Ungeklärt ist laut Peterson allerdings noch, wie groß der Arbeitsaufwand für den Landeskirchenrat sei, wenn zehn Regionen pro Jahr hinzukämen, sagt Peterson. Die Fortbildungen für die Standardassistenten übernehmen die Mitarbeiter bisher on top; dabei geht es um die Archivierung oder Formulare zu Stellenausschreibungen. Dazukommt die telefonische Beratung. Auch deshalb sei die erneute Evaluation notwendig. Verbesserungsbedarf sieht Peterson außerdem noch auf technischer Seite. Schon während der Erprobungsphase wurde mit Notebooks und Tokens die Vernetzung verbessert. Künftig wird über eine gemeinsame Cloud nachgedacht, um auf Daten leichter zugreifen zu können.

Pfarrer Detlev Hiller in Kriegsfeld hofft jetzt, dass auch nach einer erneuten Evaluierung der Landeskirche in drei Jahren an dem Konzept festgehalten wird, auch gegen Widerstände in der Synode, die es durchaus gebe. „Ich weiß, dass es ein Kostenfaktor ist.“ Auch deshalb sieht er das Projekt noch am seidenen Faden. Hiller fühlt sich spürbar erleichtert durch Hardies Hilfe, hat wieder viel mehr Zeit für Seelsorge, die Kernaufgaben seines Berufs , wie er sagt. „Und es ist ein Unterschied, wenn das jemand macht, der das speziell gelernt hat“, betont Hiller. Selbst Kollegen, die der Sache anfangs noch skeptisch gegenübergestanden hätten, wollten jetzt auf die Standardassistenz nicht mehr verzichten. Und freuen sich, wenn Monika Hardies aus ihrem grünen Seat steigt. Florian Riesterer

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