Mehr als nur eine Immobilie

Die ehemalige evangelische Tagungsstätte Haus Mühlberg soll zum Wohnareal ausgebaut werden

Vor vier Jahren verkauft: Das mitten im Wald gelegene Tagungshaus auf einer Aufnahme von 1965. Foto: pv

Mit Weitblick: Die Terrasse. Foto: pv

Vier Jahre sind ins Land gegangen. Jetzt kommt die Unternehmung offenbar ins Laufen. 2015 hat die „Weitblick³“ GmbH und Co. KG Areal und Gebäudebestand von Haus Mühlberg in Enkenbach von der Landeskirche käuflich erworben. Die Waldflächen eingeschlossen runde 10000 Quadratmeter, also vier Morgen Land, zum Preis von etwas mehr als 400000 Euro.

Geschäftsführer der GmbH ist der Biologe und Umweltberater Klaus Schläfer aus Alsenborn. Sein gleichberechtigter Partner, Ingenieur Frank Thom, kommt aus Bad Kreuznach. Lange habe sich das Planänderungsverfahren bei der Gemeinde hingezogen, so berichtet Schläfer. Dazu musste die Nutzungsklausel für das Gelände – ausschließlich für soziale oder kirchliche Zwecke – im Bebauungsplan geändert werden. Was jetzt geschehen sei. „Wir sind jetzt in der Erschließungsphase, das wird rund sechs Monate in Anspruch nehmen, dann geht es in die konkrete Planung“, sagt Klaus Schläfer.

Und die sieht eine großflächige Satellitensiedlung vor. Einen Komplex mit Mieteinheiten in den großen Häusern und, drum herum gelagert, Einfamilienhäuser. In schönster Wohnlage nähe Wald. Und sozial ausgewogen, wie Schläfer betont. „Ganz im Geiste des ursprünglichen Nutzungskonzepts.“ Wohnqualität generationenübergreifend, familienfreundlich und mit barrierefreien Angeboten. Zwischen erschwinglich und anspruchsvoll.

Rückschau: 1955 war Haus Mühlberg als Beherbergungs- und Gastronomiebetrieb der ortsansässigen Familie Weyrauch eröffnet worden. Hochgelobt in der Presse als idealer Ort der Erholung, mit guter Verkehrsanbindung und leistungsfähiger Gastronomie. Und es gab einen Unterhaltungsknüller im Haus: die Kegelbahn im Keller. Bereits ein knappes Jahr nach Eröffnung allerdings mussten die Betreiber krankheitsbedingt verkaufen. Das große Geschäft blieb beim Nachfolger aus.

So trennte man sich 1962 von Immobilie nebst Gelände. Neue Eigentümerin war die Evangelische Kirche der Pfalz. Die richtete dort zunächst ein Müttergenesungsheim ein. Die Zurichtung der Zimmer – kleine Einzelbett-Einheiten mit Waschbecken, Toiletten auf dem Flur – schien passend fürs Klientel. Aber auch dies war nicht von Dauer. Bereits zwei Jahre später wurde die verschnörkelte Aufschrift wieder entfernt. Jetzt wurde das Haus zur Tagungsstätte und bot fortan kirchlichen Gruppen – und zwar ausschließlich – Obdach für Seminare und Freizeiten.

Enkenbach war auch die Lieblingsheimstatt der Evangelischen Jugendkantorei der Pfalz. Kaum ein Mitglied aus Gründerjahren, das nicht beim Stichwort Mühlberg in wehmütige Erinnerungen abtaucht. Das lichtdurchflutete Haus atmete Atmosphäre, die Zimmer waren bescheiden, aber gut gepflegt, Leitung und Küchenfeen konnten zaubern. In den spießig-prüden „Vor-1968er-Jahren“ vermittelten die Ferienstudienwochen den Jugendlichen am Rande herrlicher Musikerlebnisse ein unbändiges Gefühl von Freiheit und Gemeinschaft. Auf der Terrasse hoch über der Ortschaft die Mittagssonne zu genießen, zu flapsen, spontan irgendeinen Chor aus dem „Messias“ anzustimmen – das blieb als Lebensgefühl wie ein Brandzeichen unveräußerlich.

Der Ort hatte Magie. Als 1976 die erste umfassende Renovierung erfolgte – jetzt gab es im Keller eine schicke Bar –, gab es Maßgaben für die Belegung. Bevorzugt waren künftig Gruppen, die direkt zum Landeskirchenrat zählten, dazu mussten die expandierenden Seminarwünsche der Evangelischen Akademie der Pfalz berücksichtigt werden. Die Jugendkantorei musste fortan durch Jugendherbergen vagabundieren.

28 Jahre leitete Simone Saenger-Herber Haus Mühlberg. Als sie 1985 ihren Dienst antrat, gab es bereits den Erweiterungsbau, errichtet 1980 oberhalb des Kernhauses. Er beherbergte Dienstwohnungen und Gästezimmer. Ein Pavillon, 1983 im Frontbereich errichtet, wurde als Verwaltung, Kapelle und zusätzlicher Tagungsraum genutzt.

„Das war eines unserer Defizite, wir hatten nur den großen Saal als Tagungsraum. Alle späteren Maßnahmen, das Abteilen, Ausweichen in den Keller, waren nur Kosmetik, lösten das Problem nicht wirklich“, erinnert sie sich. Gleichwohl stand das Haus hoch im Kurs bei seinen Stammkunden, nicht zuletzt wegen der Atmosphäre und der hervorragenden Küche.

Nach der Jahrtausendwende war der Renovierungsstau offensichtlich. Er führte immer öfter zu Problemen, mit der Heizung beispielsweise. 2005 dann sollte saniert, erweitert werden. Die Maßnahme wurde – der angespannten Finanzlage geschuldet – im letzten Moment abgeblasen. Die schon bestellten Architekten und Handwerksbetriebe schauten in die Röhre.

Mühlberg teilte so das Schicksal der Keysermühle in Klingenmünster. Verkauf. Bernd Ehrhardt, stellvertretender Leiter des Referats Bauen im Landeskirchenrat, war 2013 in die Abwicklung involviert. Er erstellte Wertgutachten, die, ausgehend von zunächst 2,5 Millionen, aufgrund des maroden Zustands und der im Bebauungsplan festgeschriebenen Zweckbestimmung schließlich bei 400000 Euro endeten.

Es hatte neben einigen „windigen“ Bewerbern auch den Verein „Interkreativ“ um ein engagiertes Kinderarzt-Ehepaar gegeben. „Da waren wir bis zum Notar-Termin vorgedrungen. Mühlberg sollte ein Sammlungs- und Seminarort für Eltern mit Frühchen werden. Und wir hätten diese Nutzung sehr begrüßt. Leider konnte die Gruppe die Finanzierung nicht aufbringen“, sagt Beate Schulz, Mitarbeiterin von Oberkirchenrat Dieter Lutz, in deren Zuständigkeit die Tagungshäuser fallen. So erhielt schließlich „Weitblick³“ den Zuschlag.

Das Haupthaus soll nach Schläfers Aussage erhalten bleiben, muss aber entkernt werden. Zum Investitionsvolumen will er derzeit keine Auskunft geben. „Da fehlen noch detaillierte Berechnungen. Wichtig ist, dass es jetzt endlich vorwärts geht.“ Gertie Pohlit

Fehlenden Ausbau beklagt

1976 klagte Pfarrer Alfred Hans Kuby, damals Leiter der Evangelischen Akademie der Pfalz, im „Pfälzischen Pfarrerblatt“ über die Zögerlichkeit der Landeskirche im Blick auf den Ausbau von Haus Mühlberg. Sein Resümee findet sich in der Festschrift zum 30-jährigen Bestehen der Akademie.

Er verweist auf Pläne von 1968, nachdem die Akademie in Kooperation mit der Rheinischen Landeskirche dort eine dauerhafte Bleibe finden sollte. Während die katholische Kirche ihre „schönen Bildungsstätten“ Heinrich-Pesch-Haus, Maria Rosenberg und Herz-Jesu-Kloster ausgebaut habe, habe man in Speyer offensichtlich geschlafen. Dennoch sei man gerne zu Gast im Haus Mühlberg. Unterbringen könne man leider nur 35 Gäste, müsste teils auf Übernachtungsmöglichkeiten im Ort zurückgreifen. Oder die „Gastfreundschaft der katholischen Häuser in Anspruch nehmen“. gpo

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