„Lasst uns doch einfach mal machen“

Junge Leute fordern mehr echte Mitwirkung in der Kirche – Strukturen als jugendunfreundlich kritisiert

Fordern mehr Mitbestimmung: Teilnehmer der "Politischen Woche" der Evangelischen Jugend der Pfalz im Martin-Butzer-Haus in Bad Dürkheim. Foto: Franck

Mehr Freiräume: Wenn die Kirche auch zukünftig mit ihren rechnen wolle, müsse sie sich ändern, fordern die „Teamer“. Foto: Franck

Eigentlich sind sie ziemlich enttäuscht von ihrer Kirche. Gerne würden sie richtig mitmischen, doch sie fühlen sich in ihrem jugendlichen Elan ausgebremst. Eva, die beiden Leas und Roman sind „Teamer“, engagieren sich ehrenamtlich als Betreuerinnen und Betreuer bei Freizeiten. Sie selbst haben die Kirche als eine gute Sache erlebt, erzählen die jungen Leute am Rande der „Politischen Woche“ der Evangelischen Jugend der Pfalz. Bei der Veranstaltung im protestantischen Martin-Butzer-Haus in Bad Dürkheim diskutierten sie mit Landtagsabgeordneten über Gott und die Welt – und die Freude und das Leid an ihrer evangelischen Kirche.

Reichlich verstaubt, strukturell verkrustet und wenig offen für neue Ideen: So lässt sich zusammenfassen, wie viele junge Menschen die Kirche sehen. Die auch für die Kirchenwahlen am ersten Advent, 29. November, gebetsmühlenhaft wiederholte Einladung, alle seien zum Mitmachen herzlich eingeladen, sei unglaubwürdig, kritisiert die 23-jährige Politikstudentin Eva aus Ludwigshafen. In den Presbyterien säßen vor ­allem „alte Leute“, die Vertreter der jungen Generation „nicht wirklich ernst“ nähmen und sie nicht mitwirken lassen wollten.

Weder Eva noch die anderen „Teamer“ können sich einen Presbyteriumsposten in einer Kirchengemeinde vorstellen. „Man weiß auch gar nicht, was die machen“, sagt die 17-jährige Schülerin Lea aus Bad Bergzabern. Und Roman, 16, aus dem Dekanat Bad Dürkheim hatte nach seiner Konfirmation „noch nie Kontakt“ zu seinen Gemeindevertretern. Welcher junge Mensch bringe sich für eine Kirche vor Ort ein, die über Briefpost „wie bei Oma“ über ihre Angebote wie Seniorensingen und Kinderbetreuung informiere, fragt sich Eva. „Da ist die Hemmschwelle hoch.“

Vor allem die Wahlperiode der Presbyteriumsvertreter für sechs Jahre schrecke Jüngere davon ab, Verantwortung zu übernehmen, sagt die 19 Jahre alte Lea aus Frankenthal. Eigentlich fühle sie sich nur wirklich in der Gemeinschaft der evangelischen Jugend geborgen, fügt die Jurastudentin an. Viele junge Menschen, die vollauf mit Schule, Studium oder Job beschäftigt seien, könnten und wollten sich nicht so lange binden. Für sie müsse es möglich sein, sich zeitlich begrenzt in Projekte einzubringen, sagt Lea.

Wichtig seien Angebote, die junge Leute in Übergangsphasen, wie nach der Konfirmation, in der Kirche hielten. Zudem sei mehr digitale Kommunikation in den Kirchengemeinden nötig, betonen die vier jungen Leute. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass der Informationsaustausch, Sitzungen und auch Online-Gottesdienste über soziale Medien gut funktionierten. Und klar: Man könnte sich ja selbst übers Internet informieren, wenn man sich in der Kirche engagieren wolle, räumen sie etwas kleinlaut ein. Wenn da nicht oft auch ein gutes Stück Bequemlichkeit oder Desinteresse wäre, wie die 21-jährige Theresa aus Bad Dürkheim sagt. „Es gibt schon viele junge Leute, die etwas oberflächlich und egoistisch sind und nur tun, was ihnen persönlich nützt.“

Generell habe die Kirche – ob protestantisch oder katholisch – bei vielen jungen Leuten ein schlechtes Image, berichten die Aktiven. Viele fänden sich dort mit ihrer Lebenswirklichkeit nicht wieder. Kirchenkritisch eingestellte junge Leute wollten ohnehin nichts zu tun haben mit einer Institution, die in traditionellen Strukturen verharre. Die Missbrauchsskandale, der Umgang mit Homosexualität und die noch immer fehlende Gleichstellung von Männern und Frauen täten das Übrige, zählen sie weiter auf.

Vielen jungen Menschen sei der christliche Glaube fremd, weiß Theresa. Viele Kinder und Jugendliche kämen nur über den Schulunterricht mit dem Thema Glauben und Kirche in Kontakt. Auch für junge Leute, die nicht gläubig sind, müsse sich die Kirche öffnen, appelliert Theresa. Ein Ansatzpunkt, um sie zu gewinnen oder zurückzugewinnen, sei die Mitarbeit bei Umwelt- oder Sozialprojekten. Dabei könnte die Kirche auch Kooperationen mit Hilfsorganisationen eingehen. „Man kann jungen Menschen etwas zutrauen“, ermuntert die 17-jährige Lea. „Man muss sie nur machen lassen.“ Alexander Lang

Auf Augenhöhe begegnen und nicht nur Kosmetik betreiben

Landesjugendpfarrer Geith: Reformen sind mit Blick auf junge Leute überlebenswichtig für die Kirche – Jugendvertretung legt Konzept vor

Der pfälzische Landesjugendpfarrer Florian Geith mahnt grundlegende strukturelle Reformen in der Kirche an, um diese lebensfähig zu halten. Die Zukunft der Kirche bemesse sich vor allem daran, ob sie sich gegenüber den Wünschen und Ideen der jungen Generation öffne, sagte Geith dem KIRCHENBOTEN in Speyer. „Die Kirche darf sich nicht nur in der eigenen Blase bewegen, sie muss genau hinschauen und fragen, was die Menschen bewegt und was sie wollen.“ Die Evangelische Landesjugendvertretung (ELJV) habe für die Landessynode ein Konzept zur besseren Beteiligung von jungen Menschen in kirchenleitenden Gremien erarbeitet.

Eine Kirche, die auch für Kinder und Jugendliche da sein wolle, müsse auf einen Paradigmenwechsel in ihrer Arbeit mit jungen Menschen setzen. Viel zu oft werde bei deren Einbeziehung „nur ein bisschen Kosmetik“ betrieben, kritisierte der Theologe. „Die Überlebensfrage der Kirche ist: Wie muss sie sich verändern, damit sie eine Zukunft für junge Menschen hat“, sagte er.

Bestehende kirchliche Strukturen würden junge Menschen häufig vom Mitmachen abhalten. Kirchengemeinden und junge Menschen, die sich dort einbringen wollten, müssten endlich „Freiräume erhalten und sich so organisieren können, wie sie es wollen“, sagte Geith. Da die Strukturen und die aktuelle Situation in der Kirche nicht als jugendgerecht empfunden würden, habe die ELJV als Entscheidungs- und Vertretungsgremium der Evangelischen Jugend der Pfalz beschlossen, bei jungen Leute nicht für eine Kandidatur für die Kirchenwahlen zu werben.

Die Kirche muss nach Vorstellung der Jugendvertreter ihre Strukturen an die Lebenswirklichkeit der jungen Generation anpassen. Dazu seien neue und effizientere Arbeitsweisen der Presbyterien nötig: Verwaltungstechnische Aufgaben könnten an einen kleinen Kreis von Fachleuten delegiert werden, rein thematisch arbeitende Ausschüsse und Foren könnten eingesetzt werden. Auch sei eine Jugendarbeit mit gemeindeübergreifenden Angeboten für spezielle Zielgruppen sinnvoll. Ein eigenes Jugendforum könne für Fragen der Kinder-, Jugend- und Konfirmandenarbeit zuständig sein.

Die meist älteren Personen in kirchlichen Machtpositionen müssten junge Menschen ermutigen, „zu experimentieren, eine eigene Sprache und Formen zu finden“, sagte Geith. Nur dadurch könne in der Kirche Neues entstehen. Tendenziell beurteilten junge Menschen die Kirche als jugendunfreundlich und wenig zeitgemäß. Dennoch wollten viele gerne mitmachen, für sie müssten die Pfarrerinnen und Pfarrer vor Ort vertrauensvolle Ansprechpartner sein, sagte der Landesjugendpfarrer. all

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