Kirchenasyl wird zunehmend zum juristischen Wagnis

Auch in Rheinland-Pfalz gehen die Behörden immer wieder gegen Pfarrer und Gemeinden vor – Ein Fall in Hochspeyer kommt jetzt vor Gericht

Kommt wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt vor Gericht: Pfarrer Max Eisfeld vor der Schlafstätte des Flüchtlings. Foto: view

Bislang gab es Berichte über Strafanzeigen gegen Pfarrer, die sich für Menschen im Kirchenasyl einsetzen, vor allem aus Bayern. Nun müssen sich die Kirchen auch in Rheinland-Pfalz auf wachsenden Druck einstellen. Ein Fall in Hochspeyer landet jetzt sogar vor dem Strafrichter – obwohl die rheinland-pfälzischen Kommunen erst im vergangenen Jahr erneut versichert hatten, sie wollten Kirchenasyle grundsätzlich respektieren.

Die Mainzer Auferstehungskirche war einer jener Orte, an denen der Fortbestand eines Kirchenasyls dennoch erst Anfang 2018 wieder auf eine harte Probe gestellt wurde. Die Gemeinde von Pfarrer Jens Martin Sautter hatte einen zum Christentum übergetretenen Iraner aufgenommen, der nach einem abgelehnten Asylantrag aus Norwegen in die Bundesrepublik geflohen war. Da Norwegen als Staat mit funktionierendem Asylverfahren gilt, habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die für alle Fälle von Kirchenasyl vorgesehene nochmalige Überprüfung mit einem lapidaren „Dreizeiler“ abgehandelt.

Der Landkreis Mainz-Bingen habe dann ultimativ gefordert, das Kirchenasyl zu beenden. Der Abschiebeflug sei bereits gebucht gewesen, berichtet Sautter. Dabei hatte die Auferstehungsgemeinde gute Gründe, sich für den Iraner einzusetzen: Denn der Asylantrag in Norwegen war abgelehnt worden, weil der Mann seinen christlichen Glauben in der Heimat ja auch heimlich leben könne. In Deutschland hingegen gilt bislang ein anderes Verständnis von Religionsfreiheit. Wer sich durch ein öffentliches Bekenntnis zu seinem Glauben in Gefahr bringt, hat gute Chancen in einem Asylverfahren.

Genau zwei Tage vor Fristablauf hätten die Behörden dann die besonderen Umstände eingesehen. „Wir haben dann tatsächlich mit vereinten Kräften die Arbeit geleistet, die das Bundesamt hätte machen müssen“, berichtet der Pfarrer. In einem anderen Fall im Rhein-Hunsrück-Kreis befindet sich eine tschetschenische Familie im Kirchenasyl. Zum Streitpunkt zwischen Behörden und Kirche wurde dort die Frage, ob die Kinder vorerst weiter zur Schule gehen dürfen. Die Kreisverwaltung lehnte dies zunächst ab, bis sich die Düsseldorfer Kirchenleitung einschaltete.

Im vergangenen Jahr hatte dasselbe Ausländeramt angedroht, einen Somalier notfalls mit Polizeigewalt aus einem Kirchenasyl in Büchenbeuren abzuholen. Dieser Konflikt, die tatsächliche Räumung eines Kirchenasyls in Ludwigshafen und Durchsuchungsaktionen bei der katholischen Gemeinde in Budenheim bei Mainz hatten überregional für Schlagzeilen gesorgt. Nach einem Krisengipfel von Landesregierung, Kommunal- und Kirchenvertretern stimmten alle Beteiligten allerdings versöhnliche Töne an.

Dennoch gab es in der Realität immer neue Irritationen. Im vergangenen Jahr leitete die Staatsanwaltschaft Frankenthal im Zusammenhang mit einem Kirchenasyl ein Ermittlungsverfahren gegen den Integrationsbeauftragten der pfälzischen Landeskirche ein. Anlass sei ein Zeitungsartikel gewesen, bestätigt der Leitende Oberstaatsanwalt Hubert Ströber. Die Ermittlungen wurden wegen geringer Schuld eingestellt, ebenso wie bei der Anzeige gegen ein Kirchenasyl, der die Staatsanwaltschaft in Bad Kreuznach nachgegangen war.

Eine andere Dimension bekommt unterdessen der Fall in Hochspeyer. Dort muss der evangelische Pfarrer Max Eisfeld im April wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt vor Gericht. Die pfälzische Landeskirche verfüge über keinerlei Hinweise darauf, dass der Pfarrer gegen die zwischen Staat und Kirchen ausgehandelten Regeln zum Kirchenasyl verstoßen haben könnte, sagt Kirchensprecher Wolfgang Schumacher: „Wir sind sehr verwundert, dass es zu diesem Verfahren gekommen ist.“

Offenbar gehen die Ermittlungen auf eine Strafanzeige aus der Ausländerbehörde in Kaiserslautern zurück, was die Stadtverwaltung aber nicht direkt bestätigen will. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es, verantwortlich für die Strafverfolgung sei allein die Staatsanwaltschaft: „Wir teilen lediglich entsprechende Sachverhalte den zuständigen Behörden mit.“ Karsten Packeiser

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