Keine Selbstverständlichkeit

Pfarrerinnen der pfälzischen Landeskirche seit 50 Jahren gleichgestellt – Erste Ordination vor 60 Jahren

Seit 50 Jahren sind Pfarrerinnen in der Landeskirche ihren männlichen Kollegen auch rechtlich gleichgestellt: Pfarrerin Katrin Müller wird an Pfingsten in ihr Amt eingeführt. Foto: Sayer

Erregte Aufsehen (Bild links): Ordination von Irmgard Gauer 1958 in Kaiserslautern. Als ordinierte Pfarrerin 1962 noch Exotin (mittleres Bild): Ellen Bucher aus Landau. Eine der ersten Theologinnen der Landeskirche (Bild rechts): Käthe Sehnert. Fotos: ZA/VAN/ZA

Es gilt, die Frau zu ehren, aber es entehrt sie, wenn man sie in ein Amt beruft, für das sie nicht geschaffen ist.“ Solche Äußerungen im KIRCHENBOTEN von 1958 belegen den Widerstand gegen die Ordination von Pfarrerinnen, die vor 60 Jahren auf der Landessynode diskutiert wurde. Schon in den Bezirkssynoden wurde im Vorfeld heftig gestritten. Vom damaligen Kaiserslauterer Dekan Groß ist gar die Aussage überliefert, zum Theologenberuf führe der intellektuelle Weg. „Die Frau ist anders geartet.“

Am Ende trat das sogenannte Theologinnengesetz nur mit einer knappen Zweidrittelmehrheit und elf deutlichen Nein-Stimmen in Kraft. Ausbildungsdezernent und Oberkirchenrat Theodor Schaller hatte zuvor die Wortverkündigung der Frau aus dem Neuen Testament heraus hergeleitet und erklärt, die dortigen Einsprüche gegen lehrende Frauen gründeten nicht auf dem Evangelium selbst, sondern in der damaligen Zeit und Situation in der Gemeinde. Zwar erklärten viele Synodale ihren Widerstand mit der ihrer Meinung nach falschen Auslegung der Bibel. Dass auch Machtspiele eine Rolle spielten, wollen aber Oberkirchenrätin Marianne Wagner und Belinda Spitz-Jöst, Gleichstellungsbeauftragte der Landeskirche, nicht ausschließen.

Wie dem auch sei: Mit ihrer Entscheidung für die Ordination von Frauen war die pfälzische Landeskirche bundesweit Vorreiter. Entsprechendes Aufsehen in der überregionalen Presse erregte so die Ordination der Frankenthalerin Irmgard Gauer 1958. In der Folge ließen sich viele Theologinnen in der Pfalz nachträglich ordinieren. Andere verzichteten darauf; wie Käthe Jacob, die von 1938 bis zu ihrem Ruhestand als Religionslehrerin arbeitete. Sie habe an der Debatte Anteil genommen, erinnert sich Oberkirchenrat im Ruhestand Klaus Bümlein an seine verstorbene Schwiegermutter. Eine Ordination mit 50 Jahren im Kreis viel jüngerer Kolleginnen habe sie aber als unangemessen abgelehnt – und in Kauf genommen, dass Post der Landeskirche gelegentlich an „Frau Vikarin Jacob“ adressiert war.

Bis zur vollen Gleichstellung von Pfarrerinnen im Amt sollten nach Inkrafttreten des Gesetzes von 1958 noch volle zehn Jahre vergehen. Dieses las sich mit vielen Einschränkungen: Damit etwa Pfarrerinnen die Geschäftsführung übernehmen oder dem Presbyterium vorsitzen konnten, hatte das Presbyterium zuzustimmen. Außerdem schieden Pfarrerinnen aus dem Dienst aus, sobald sie heirateten. „Man muss das in dem Zusammenhang der Zeit sehen“, sagen Wagner und Spitz-Jöst. „Hausfrau galt als Beruf.“ Und die Mehrheit sah eine verheiratete Frau in diesem Berufsfeld – andere Betätigungen ausgeschlossen. Wagner kennt Beispiele von zwei Pfarrerinnen, die wegen des Gesetzes von 1958 bewusst keine Ehe schlossen.

Dass die Landessynode überhaupt den Weg zu diesem Gesetz suchte, war laut der Oberkirchenrätin in einer Notwendigkeit begründet. Frauen arbeiteten vor der Gesetzgebung de facto schon als Pfarrerinnen, waren es de jure aber nicht. Viele Männer waren im Zweiten Weltkrieg gefallen, von 317 Pfarrern und Vikaren fehlte ein Drittel. Auch weil die Zahl studierter Theologinnen zunahm, sah sich die Landeskirche zum Handeln gezwungen, um einheitliche Regeln zu schaffen.

Was Wirkung nach außen hatte. Die Theologin Ellen Bucher, in Brandenburg an der Havel geboren, kam auch wegen der Fortschrittlichkeit der Landeskirche in die Pfalz und wurde 1962 ordiniert. Sie fand sich – wohl wegen ihrer Krankenschwesterausbildung – allerdings nicht im Gemeindepfarramt wieder, sondern als Krankenhauspfarrerin in Klingenmünster und Landau.

Wehmut ob ihrer Arbeit lässt Bucher, mit ihren 90 Jahren eine der ältesten Ruhestandspfarrerinnen, aber nicht spüren. Sie sei immer gerne Krankenhauspfarrerin gewesen, sagt die Landauerin. „Meine Vorgesetzten waren froh, dass ich da war.“ Und zu Trauungen oder Taufen wurde sie genauso gerufen, Spaß machte ihr die Arbeit mit Vikaren am Predigerseminar. Dennoch war sie sich ihrer Position als einzige Frau unter Männern oft bewusst.

Allerdings stiegen die Zahlen ordinierter Pfarrerinnen in der Landeskirche nach der vollen Gleichstellung 1968 rasant an. Waren 1975 nur 16 Pfarrerinnen aktiv im Dienst, waren es 1996 schon 131. Am Stichtag 1. März 2018 zählte die Landeskirche 232 Pfarrerinnen – gegenüber 332 Männern.

Dass das Thema Gleichstellung keine Selbstverständlichkeit ist, zeigen zwei Beispiele aus dem Ausland: Die Lettische Evangelisch-Lutherische Kirche nahm 2016 die Frauenordination wieder zurück. Damit orientiert sie sich an vielen Freikirchen und Gemeinden, die zur Selbstständigen Lutherischen Evangelischen Kirche gehören. 2007 erlebte Wagner die erste Ordination einer Pfarrerin in Bolivien. Spürbar gewesen sei das Ringen der Kirche mit sich selbst. „Dürfen wir das vom Bibelverständnis, werden wir als Minderheitenkirche im Land dann noch ernst genommen“, diese Fragen standen zur Debatte, erzählt die Oberkirchenrätin.

In der pfälzischen Landeskirche treibt die Pfarrerinnen heute nicht die Frage nach der theologischen Begründung ihres Amts um, sondern die Vereinbarkeit von Beruf, Berufung und Familie. „Ich spüre das vor allem bei den jungen Pfarrerinnen, die in den vergangenen drei Jahren ins Amt gekommen sind“, sagt Wagner. Zum großen Teil arbeiteten die Männer Vollzeit, so gut wie nie sei die Frau Alleinverdienerin. „Die Frauen haben das Gefühl, dabei ihrem Anspruch an sich selbst und die Kirchengemeinde nicht gerecht zu werden.“ Aus diesem Grund landeten auch schon Beurlaubungen auf ihrem Tisch. Dazu kommt, dass nach dem Pfarrdienstgesetz die Elternzeit nur maximal ein Jahr möglich ist. Anderenfalls kann die Gemeindepfarrstelle nicht behalten werden. Denn auch die Bedürfnisse der Gemeinde gelte es zu berücksichtigen. Wagner will die Pfarrerinnen der vergangenen zehn Jahre einladen, „um herauszufinden, wo der Schuh drückt oder wo es Modelle gibt, in denen sie sich wohlfühlen“.

Wann die Landessynode die erste Kirchenpräsidentin in ihrer Geschichte wählt, darüber will sich die erste Oberkirchenrätin der pfälzischen Landeskirche bei allen Gleichstellungsbemühungen nicht festlegen. Das passiere, „wenn die Zeit reif ist und der Heilige Geist die Synode erleuchtet.“ Florian Riesterer

Gottesdienst und Gespräch

Die Landeskirche erinnert am Samstag, 17. März, in Kaiserslautern an die Ordination der ersten Pfälzer Pfarrerin vor 60 Jahren sowie 50 Jahre rechtliche Gleichstellung von Pfarrerinnen im Amt.

Unter dem Motto „Nicht Mann noch Frau?“ gibt es um 14 Uhr einen Gottesdienst in der Kleinen Kirche, bei dem Oberkirchenrätin Marianne Wagner predigt und die Kaiserslauterer Dekanin Dorothee Wüst für die Liturgie zuständig ist. Kirchenpräsident Christian Schad spricht ein Grußwort.

Von 15.30 bis 17 Uhr folgt im Rathaus-Restaurant „Twenty One“ am Willy-Brandt-Platz 1 eine Gesprächsrunde zum Thema „Frauen im Pfarramt“ mit Theologinnen verschiedener Generationen. Moderatorin ist Pfarrerin Mechthild Werner, das Duo „Zwei-Teiler“ übernimmt die musikalische Gestaltung. Die Veranstaltung wird organisiert von der Gleichstellungsstelle der pfälzischen Landeskirche gemeinsam mit dem protestantischen Theologinnenkonvent und der evangelischen Frauenarbeit. epd

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