Im Trikot unterm Talar Fußball und Glaube gefeiert

Fußball-Gottesdienst in Albersweiler mit Videobotschaft aus Mexiko – Mehr als 250 Menschen beim Public Viewing in der Bergkirche dabei

Fiebern mit: Fans jeden Alters schauen das Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen das Team aus Mexiko. Foto: VAN

Menschen mit Trikot, Fanschminke und Fähnchen an der Kappe strömen in die Kirche. Dort, wo sonst das Gesangbuch liegt, steht jetzt Rieslingschorle. Die Leute rücken zusammen, denn die Sitzplätze in der Bergkirche in Albersweiler werden knapp: Rund 150 Fans stimmen sich hier auf den ersten Auftritt der deutschen Nationalelf ein. Die Orgel spielt „You’ll never walk alone“, auf dem Altar liegt neben der Bibel ein Fußball. Darüber schwebt eine 20 Quadratmeter große Leinwand.

Ganz neu ist die Erfahrung, Fußball in der Kirche zu erleben, für die Menschen aus Albersweiler nicht. Bereits zur Europameisterschaft 2016 wurde jedes deutsche Spiel gezeigt. Dabei erlebte die Fangemeinde sehr emotionale Momente. An die positiven Erfahrungen vom letzten Mal will die Kirchengemeinde bei der Weltmeisterschaft anknüpfen: Jedes Deutschland-Spiel wird wieder in der Kirche gezeigt. Davor wird jeweils ein Fußball-Gottesdienst zu Themen wie „Fair Play“ und „Gott als Schiedsrichter“ gefeiert. Eigens dafür hat sich spontan eine Band aus Schlagzeug, Keyboard und Gitarre gegründet, die neben modernen, geistlichen Liedern auch Hits von „Sportfreunde Stiller“ und den „Toten Hosen“ spielt.

An diesem Tag ist es schon der zweite Gottesdienst in der Bergkirche: Vormittags waren die Kinder an der Reihe, wobei der Kindergottesdienst fließend in das Gemeindefest überging. Gelungener Abschluss dafür ist der Fußballabend in der Kirche. Auch für Kinderbetreuung ist gesorgt: Ehrenamtliche schminken die Kinder, und diese können die selbst gebauten Getränkehalter anmalen, damit es noch bunter zugeht.

„So bunt wie das Leben soll es auch in unserer Kirche sein“, meint Pfarrer Jan Meckler, der sich vor dem Gottesdienst den Talar über das Trikot zieht. Auf die Frage, was der Fußball in der Kirche verloren habe, antwortet der Theologe, Menschen dürften mit allem, was ihnen am Herzen liegt, in die Kirche kommen – und der Fußball gehöre natürlich dazu. „Außerdem liegt mir viel daran, zu zeigen, dass Kirche und Sport, Glaube und Fußball zusammengehören.“

Der Pfarrer dreht sich zum Altar, greift nach dem Fußball: „Wir beten hier nicht den Fußball an, auch wenn sich heute vieles darum dreht“, sagt er. Deswegen gehöre der Ball nicht auf den Altar, sondern auf den Boden. Mit einem gekonnten Schuss bringt er den Ball ins Rollen. Alle beten. Auf der Leinwand erscheint ein Mann im Deutschland-Trikot, der dazu noch das Trikot der mexikanischen Mannschaft in die Kamera hält: Marc Reusch, Pfälzer Pfarrer, seit fünf Jahren Seelsorger in der deutschen Gemeinde in Mexiko, hat eine Videobotschaft. Auch er schaut das Spiel gemeinsam mit seiner mexikanischen Gemeinde, die gerade zeitgleich mit Albersweiler Gottesdienst feiert. Als Zeichen dafür, dass Fußball Menschen verbindet, hat Jan Meckler seinem Kollegen die Videokonferenz zwischen der Pfalz und Lateinamerika vorgeschlagen. Nach dem Gottesdienst versorgen sich die Fans mit Getränken und Pommes, dann rollt der Ball – die Zuschauer sind von Anfang an emotional dabei. Als das Tor für Mexiko fällt, schauen einige Hilfe suchend nach oben.

Während der Übertragung kommen immer mehr Menschen in die Kirche. Gut 250 Leute sitzen und stehen beisammen. Würstchen und Pommes, die der Fußballverein neben der Kirche verkauft, sind nach dem Spiel ausverkauft. Mehr als 500 Portionen sind an diesem Tag über die Theke gegangen.

„Ich bin nicht gläubig. Ich nutze das nur als Ort, wo ich mit Freunden Fußball schauen kann“, sagt ein junger Besucher nach dem Spiel. Dass das Ganze in einer Kirche stattfinde, störe ihn nicht. Ganz im Gegenteil – die Stimmung sei selbst nach der Niederlage gegen Mexiko noch gut. Die Menschen, das Ambiente, die Gemeinschaft sei hier etwas Besonderes. „Fußball schauen zuhause oder in der Kneipe kann ja jeder, aber in der Kirche ist es doch etwas Besonderes.“ Stefan Mendling

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