Hochzeitsständchen mit Chorgeburt

Die „Hemmer-Haus-Singers“ in Brücken sind als Chor einer ökumenischen Sozialstation ziemlich einmalig

Benefizkonzert im vergangenen Herbst: Die „Hemmer-Haus-Singers“ mit Pfarrer im Ruhestand Martin Fornoff (links) treten in der protestantischen Kirche Altenkirchen zugunsten der Neugestaltung des örtlichen Heimatmuseums auf. Foto: Sayer

Das Kontakthalten mit seinen Ensembles, mit jedem einzelnen Menschen des während der Corona-Pandemie so gefährdeten sozialen Organismus „Chor“ ist für Pfarrer im Ruhestand Martin Fornoff aus Brücken derzeit oberstes Gebot. „Whatsapp, E-Mail, Telefon – damit rettet man sich über die analoge Abstinenz, das ist alles hilfreich, wenn auch mühsam.“

Martin Fornoffs „Hemmer-Haus-Singers“ sind in gewisser Hinsicht ein Solitär in der kirchlichen Chorlandschaft. Im September 2011 hatte sich das Team der Ökumenischen Sozialstation Brücken an Martin Fornoff gewandt und ihn als Altenkirchener Chorleiter und Ruheständler gebeten, doch bitteschön einen Chorsatz mit ihnen einzuüben. Der sollte als Ständchen für die damalige Leiterin im Anschluss an ihre kirchliche Trauung kredenzt werden.

Die Überraschung gelang derart gut, dass es keiner der Beteiligten dabei belassen wollte. Auch die Geschäftsführerin der Sozialstation nebst Ehemann signalisierte Lust, und so vereinbarte man regelmäßige Proben. „Zu Anfang war das einmal wöchentlich eine Stunde nach der Schicht, aber das weitete sich auf Wunsch der Teilnehmenden rasch aus.“ Mit knapp 20 Stimmen, registermäßig gut durchmischt, kann Martin Fornoff gut mehrstimmig arbeiten und legt ein breites Repertoire auf.

Das bewegt sich zwischen Bach-Choral und Bebop, Volksliedsatz und Negro Spiritual, zwischen dezidiert liturgischer Literatur und weltlich volkstümlichen Sätzen. Und weil das Herz des Chorleiters eigentlich bei der Alten Musik schlägt, hat sich der Chor auch auf Madrigale eingelassen. „Deutsche, französische, italienische, alles in Originalsprache, und die Sängerinnen und Sänger sind begeistert!“, sagt Fornoff.

Die Einsatzmöglichkeiten reichen vom Gottesdienst bis zum Feuerwehrball oder dem Benefiz-Frühschoppen. „Wir sind kein Kirchenchor, aber alle haben eine kirchliche Bindung und sind irgendwie mit der Diakonie verbunden“, sagt Fornoff. Deshalb gestaltet der Chor Gottesdienste mit, singt in der Tagespflege der Sozialstation, in Altenheimen zu Weihnachten und bei Sommer-, Gemeinde- und Dorffesten. „Außerdem gibt es jedes Jahr ein größeres Konzert, zu dem wir uns gelegentlich auch jemanden dazubitten, der uns bei dem einen oder anderen Stück an Orgel oder Klavier begleitet.“

Thomas Schneider, Sohn eines Sängers, und Fornoffs Tochter, Daniela Wagner-Fornoff, sind nebenamtliche Kirchenmusiker und immer gerne zum Mitmachen bereit. Ansonsten freilich wird fast ausschließlich a cappella gesungen, sagt Fornoff. „Weil das alles ehrenamtlich geschieht, konnten wir schon zweimal erfolgreiche Benefizkonzerte zugunsten von sozialen Projekten durchführen.“

Mit dem Namen hat es folgende Bewandtnis. Just zur Gründerzeit hatte es in Altenkirchen einen Wettbewerb für Projektchöre aus der Region gegeben. „Man musste unter einem Namen firmieren, und wir fanden es gut, heimatliche Flagge zu zeigen, mit unserem Nest zu werben“, sagt der Pfarrer. Das Alois-Hemmer-Haus in Brücken, in dem die Singgemeinschaft probt, ist als Sitz der ökumenischen Sozialstation auch gleich so etwas wie die Visitenkarte der ungewöhnlichen Chorgemeinschaft. Mittlerweile sind unter den Mitgliedern nur noch zwei aktiv in der Sozialstation Tätige, dafür einige Ehemalige. Aber auch Hausfrau, Altenpflegerin, Verwaltungsangestellte, Polizist und Lehrer sind mit von der stimmlichen Partie.

Die aktuelle Situation, so Fornoff, bekümmere ihn sehr, sei zutiefst unbefriedigend. „Aber unsere Sängerinnen und Sänger sind übereingekommen, in der jetzigen Lage mit dem Singen noch zu pausieren. Nicht allein, weil die Vorgaben kein sinnvolles Proben ermöglichen, sondern auch, weil sie das gemeinsame Singen tatsächlich als potenziell gefährlich ansehen.“ Einige arbeiteten haupt- oder ehrenamtlich in der Altenpflege und sollten daher besonders vorsichtig sein. Wieder andere haben Vorerkrankungen. Dieser Tage wollen sich die Mitglieder wieder einmal treffen, um die Situation neu zu bewerten. „Wir hoffen inständig, im Laufe des nächsten Jahres unsere Tätigkeit wieder aufnehmen zu können. Es haben bis jetzt alle signalisiert, dass sie dabei bleiben wollen.“ Das zumindest ist ein Signal der Hoffnung. Gertie Pohlit

Mit Körpersprache die Sänger inspirieren und begeistern

Es sind beileibe nicht die schlechtesten Kirchenmusiker, die das Chorleiteramt so „nebenher“, aber mit Herzbluteinsatz und – im Fall von Martin Fornoff – auch mit theologisch solidem Fundament betreiben.

31 Jahre lang hat der Pfarrer mit Freude und Engagement seine Gemeinde in Altenkirchen betreut. Als er sich 2006 in den Ruhestand verabschiedete, ahnte er noch nicht, dass das musikalische Nebenamt fünf Jahre später nochmals einen kleinen Schub erhalten würde. 2011, mit der Gründung der „Hemmer-Haus Singers“.

Das Theologiestudium absolvierte Martin Fornoff Ende der 1960er Jahre in Mainz, die erste Pfarrstelle in Oggersheim-Melm führte praktisch wieder in die Heimat zurück. Dort hatte Martin Fornoff bereits als Schüler Chorluft geschnuppert, begeistert im Kirchenchor mitgeschmettert, dann im Motettenchor Ludwigshafen, später im Spiritual-Chor, damals vom heutigen Stuttgarter Topstar Frieder Bernius geleitet, seine Bassstimme eingebracht.

Nachhaltig geprägt freilich, so sagt er, habe ihn die Zeit in der Evangelischen Jugendkantorei der Pfalz, als Schüler und Student und treuer Anhänger des damaligen Landeskirchenmusikdirektors Adolf Graf. Geige und Bratsche spielt Martin Fornoff gerne und, wie er selbstkritisch bekundet, „na ja, nicht so gut“, auch ein bisschen Klavier. Dass er jedoch fantastisch mit Stimmen operieren und Menschen schon mit seiner Körpersprache zu inspirieren, begeistern versteht, weiß, wer ihn je in Aktion mit seinen Chören erlebt hat. Das sind deren zwei: Denn 1986 schon hatte er den Kirchenchor Altenkirchen aus dem Dornröschenschlaf erweckt, hält ihn bis heute hellwach. Die „Hemmer-Haus-Singers“ flogen ihm Jahre später sozusagen zu.

Dass auch seine Tochter nebenamtliche Kirchenmusikerin ist, freut den 74-jährigen, kein bisschen müden Chorleiter besonders. Martin Fornoff versieht zudem in seinem Dekanat das Ehrenamt des Kirchenchorobmanns und ist langjähriges Mitglied der Kuseler Kantorei. Und seine Frau Annerose, mit der er in Brücken lebt, teilt mit ihm nicht nur die Liebe zur Musik, sondern auch das Engagement fürs Heimatmuseum Altenkirchen und die Lust am Wandern. gpo

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