Historischer Einschnitt beim landeskirchlichen Pietismus

Evangelischer Gemeinschaftsverband und Chrischona gründen Netzwerk als Anstellungsträger – Die pfälzische Identität soll gewahrt bleiben

Hat die Landeskirche mitgeprägt: Noch vor zehn Jahren kamen fast 1000 Besucher zum Jahresfest der Gemeinschaften. Archiv: view

Der Evangelische Gemeinschaftsverband der Pfalz wolle der Landeskirche ein sperriger Partner sein. Das sagte der damalige Vorsitzende des Verbands, Wolfgang Kleemann, im Jahr 2000, dem Jahr des 125-jährigen Bestehens des freien Werks. Seit Jahrzehnten prägt der theologisch konservative Verband die Landeskirche mit. Er tritt entschieden ein für das Bekenntnis zur Einzigartigkeit Jesu Christi im Dialog der Weltreligionen, gegen Abtreibungen aus sozialen Gründen und gegen die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Zum Jahreswechsel standen nun einschneidende Veränderungen im Verband an.

Nach einem fünf Jahre dauernden Prozess habe der Gemeinschaftsverband mit dem Chrischona Gemeinschaftswerk Deutschland das Evangelische Gemeindenetzwerk Deutschland gegründet, sagte der heutige Vorsitzende des Verbands, der Winterbacher Pfarrer Tilo Brach. In dieses Netzwerk seien die 19 zuvor beim Gemeinschaftsverband angestellten Gemeinschaftspastoren übergegangen. Die Personalverantwortung liege zukünftig bei Regionalleiter Jos Tromp von Chrischona, der in Albig bei Worms arbeitet.

In die Geschäftsführung des Netzwerks sei auch der bisherige Gemeinschaftsinspektor Otto-Erich Juhler eingetreten, der im Mai dieses Jahres in Ruhestand gehe, sagte Brach. Mit Juhler ende die Ära der theologisch gewichtigen und einflussreichen Gemeinschaftsinspektoren in der Pfalz. Diese Tatsache sowie die Abgabe der Personalverantwortung sei ein tiefer Einschnitt für den Verband, der in 18 Bezirken etwa 1700 Mitglieder habe und rund 3500 Menschen mit seiner Arbeit erreiche. Zwar sei der Verband recht stabil, habe aber mit den gleichen finanziellen und demografischen Problemen zu kämpfen wie die Kirche als Ganzes. Um den Fortbestand des Verbands für die kommenden Jahre zu sichern, sei es daher unerlässlich gewesen, die Strukturen zu verändern.

Das Größenverhältnis zwischen Gemeinschaftsverband und Chrischona Deutschland betrage etwa eins zu drei, sagte Brach. Allerdings habe sein Verband in der neuen Gesellschaft eine Sperrminorität. Die Bezirke hätten nach wie vor ein Mitspracherecht bei der Besetzung der Predigerstellen. Es sei nun vor allem die Aufgabe des Vorstands, die pfälzische Identität und die starke Verbundenheit der Gemeinschaftsgemeinden mit der Landeskirche zu bewahren. Dafür gebe es unter anderem auch weiterhin das jährliche Gemeinschaftsfest sowie den Landes- und die Bezirksgemeinschaftsräte. Außerdem bleibe das Gemeinschaftszentrum Trippstadt mit etwa fünf Mitarbeiterstellen beim Verband.

Der neue Regionalleiter Tromp sieht keine Gefahr für die Identität der beiden Gesellschafter des Netzwerks. Beide seien als juristische Personen Mitglieder geworden. Das ermögliche den Erhalt der jeweils eigenen Identität, was beiden Partnern ein wichtiges Anliegen sei, gerade auch dann, wenn neue Partner dazukommen sollten. Auch theologisch erwartet Tromp keine Probleme. Beide Partner seien freie Werke innerhalb der evangelischen Kirche und dem Gnadauer Verband angeschlossen. Von der Geschichte her gebe es viele Verknüpfungen. Zum Beispiel habe mancher Gemeinschaftspastor des Evangelischen Gemeinschaftsverbands seine theologische Ausbildung am theologischen Seminar St. Chrischona erhalten.

Für Oberkirchenrätin Marianne Wagner ist der Gemeinschaftsverband immer noch ein wichtiger Teil der Landeskirche. Sie erinnert daran, dass der Pietismus im 17. Jahrhundert als Reformbewegung entstanden ist. In einer Zeit, in der das kirchliche Leben vielerorts unter Erstarrung gelitten habe, sei es um eine geistliche Erneuerung gegangen, die die persönliche Frömmigkeit in den Blick genommen habe.

Wagner würdigt zudem die konkrete Zusammenarbeit von Landeskirche und Gemeinschaftsverband. Da das Frömmigkeitsprofil zum Beispiel der Stadtmissionen vielen Menschen aus dem globalen Süden nah und vertraut sei, könnten die Gemeinschaften wichtige Brückenbauer zu Christen mit Migrationshintergrund sein. Klaus Koch

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